Das von der US-Reederei Celebrity in der deutschen Meyer-Werft georderte Kreuzfahrtschiff "Eclipse"
(hier bei der Überführung an die Nordsee) ist seit heuer in Dienst.

Foto: APN/Strangemann

Wien - Ostsee statt Mittelmeer, "Mein Schiff" statt "Aida Diva" und Valery Gergiev, Christian Thielemann sowie Rudolf Buchbinder statt Zubin Mehta: Im Sommer begibt sich ein 90-köpfiges Ensemble der Wiener Philharmoniker erneut auf große Tour zu Wasser. Nach der erfolgreichen Kreuzfahrt im Mittelmeer, die im Sommer 2008 rund 2000 Gäste auf das Schiff "Aida Diva" lockte, nützen die Philharmoniker von 7. bis 17. Juli "Mein Schiff" (Joint Venture Tui Cruises und Royal Caribbean) als schwimmendes Hotel.

Das Schiff dient den Musikern als Probe-, Rückzugs- und Begegnungsort mit den Fans. Es wird die Philharmoniker und 2000 Gäste von Kiel zu Auftritten nach Tallinn, Sankt Petersburg, Helsinki, Stockholm und Königsberg bringen.

14,3 Millionen Passagiere 

"Die Vielseitigkeit des Angebots ist mit ein Grund für den Boom der Branche", sagte Helge Grammerstorf, geschäftsführender Gesellschafter der auf Kreuzfahrten spezialisierten Hamburger Beratungsgesellschaft Sea Consult, dem Standard. Der Kreuzfahrtenmarkt gehört zu den touristischen Segmenten, die am schnellsten wachsen. So rechnet der Branchenverband Cruise Lines International Association heuer mit weltweit 14,3 Millionen Passagieren, um 855.000 mehr als 2009.

Ob Volksmusik, Literatur, Wein oder Kulinarik: Das Themenangebot, das immer mehr Urlaubshungrige auf das Wasser lockt, ist bunt. Und breit ist auch das Angebot an Schiffen. Von der schwimmenden Kleinstadt "Oasis of the Sea" - mit Platz für 5400 Reisende, zig Restaurants, Einkaufsmall, Theater und Eislaufplätzen an Deck das derzeit größte Kreuzfahrtschiff der Welt - bis zur "Sea Cloud II", einem Segelschiff in Luxusausführung und mit Fünf-sterneküche, auf das 60 Leute und genauso viel Besatzung passen: Die Palette für Urlaubstrips auf dem Wasser ist unerschöpflich.

Krise bleibt außen vor

Tatsächlich scheint die Krise der Kreuzfahrtbranche nichts anzuhaben. Im Vorjahr ist die Zahl der Passagiere, die von Deutschland aus eine Hochseereise gebucht haben, erstmals auf über eine Million gestiegen. Bis 2018 rechnet Sea Consult mit einer Verdoppelung auf zwei Millionen. "Bei insgesamt 75 Millionen Gästen, die im Vorjahr in Deutschland eine Urlaubsreise angetreten haben, ist das noch vergleichsweise wenig", sagte Grammerstorf. "Wenn man aber weiß, dass die Amerikaner doppelt so viele Kreuzfahrten machen wie die Europäer, lässt sich das schlummernde Potenzial erahnen."

Für Österreich hat der Kreuzfahrtenausschuss des Reisebüroverbands eine Branchenerhebung durchgeführt. Demnach haben 2009 insgesamt 93.909 Österreicher eine Seereise gebucht - ein Plus von 16 Prozent gegenüber 2008. Der Umsatz stieg um knapp 23 Prozent auf fast 84 Mio. Euro.

"Kreuzfahrten werden immer populärer, deswegen gehen wir verstärkt in dieses Segment", sagte der Chef der MS Reisegesellschaft, Michael Springer (siehe Interview). Er hat die Philharmoniker vor zwei Jahren erstmals auf ein Schiff, die "Aida Diva", gebracht und ist auch für die Neuauflage der "Meer & Musik"-Tour im Juli verantwortlich. Schon werden Pläne für 2012 gewälzt, wo man mit den Philharmonikern eine Route durchs östliche Mittelmeer überlegt.

Musikreisen haben Tradition

"Der Vorteil eines Schiffes ist, dass man so viele Orte sieht, ohne Koffer packen zu müssen", sagte Klaviervirtuose Rudolf Buchbinder, der mit den Philharmonikern auf der Ostseetour Werke von Beethoven und Chopin interpretieren wird. So neu sei das alles nicht. "Musikreisen hat schon Rostropowitsch gemacht, auch Yehudi Menuhin", sagte Buchbinder. "Vor 50 Jahren hat es schon Mittelmeerkreuzfahrten gegeben, amerikanische Schiffe mit amerikanischen Künstlern. Das kam damals sehr gut an." Die Preise für die elftägige Kreuzfahrt mit den Philharmonikern beginnen bei 2780 Euro und reichen bis 8450 Euro pro Person in der Suite. "Es gibt für alle Interessen und Brieftaschen Angebote. Das ist mit ein Grund, warum Kreuzfahrten so gut ankommen", sagte Experte Grammertstorf.

Das arithmetische Mittel aus allem, was bei einer Kreuzfahrt so ausgegeben wird, liege seit Jahren stabil bei 192 bis 197 Euro pro Person und Tag. Die Bandbreite aber sei viel größer geworden. Während es nach oben hin kaum Grenzen gebe, seien im Massenbereich nicht zuletzt wegen der vielen neuen Schiffe und der dadurch stark gestiegenen Bettenkapazitäten Angebote um 800 bis 900 Euro pro Person und Woche keine Seltenheit mehr. (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.5.2010)