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Bilder wie dieses sollen nach dem Wunsch von Staatspräsident Nicolas Sarkozy spätestens im Herbst der Vergangenheit angehören.

Foto: epa/Warnand

Unter Leitung von Staatspräsident Nicolas Sarkozy präsentierte die französische Regierung am Mittwoch ihren seit Monaten erwarteten Gesetzestext für die Regelung der "Burkafrage". Sie optiert für ein Totalverbot, das nicht nur in öffentlichen Gebäuden, sondern auch auf Straßen gelten soll. Wer in Frankreich künftig das Gesicht verhüllt - und zwar egal, ob mit einem islamischen Schleier oder anderem -, erhält eine Geldstrafe von 150 Euro; alternativ kann auch ein Staatsbürgerkurs angesetzt werden.

Der von Justizministerin Michèle Alliot-Marie und Immigrationsminister Eric Besson ausgearbeitete Text nimmt vor allem die "Auftraggeber" ins Visier, womit islamistische Ehemänner gemeint sind. Wer eine Frau zur Gesichtsverhüllung zwingt, sei es durch "Gewalt, Drohung, Macht- oder Autoritätsmissbrauch", wird mit 15.000 Euro oder bis zu einem Jahr Haft bestraft.

"Würde der Person"

Sarkozy erklärte am Mittwoch, die französischen Muslime - Schätzungen zufolge vier Millionen - hätten keinen Grund, sich abgestempelt zu fühlen. Die Gesichtsverhüllung widerspreche ganz einfach den Landesgepflogenheiten. "Wir sind eine alte Nation, die sich um eine gewisse Idee von der Würde der Person und insbesondere der Frau schart", meinte er während der Regierungssitzung. "Der das Gesicht verhüllende Vollschleier verletzt diese Werte, die für uns so wichtig und wesentlich sind."

Sarkozy setzt sich bewusst über die Empfehlung des Staatsrates hinweg, der das sogenannte Burkaverbot auf öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Ämter oder Krankenhäuser beschränken wollte. Vor einem halben Jahr noch hatte Sarkozy dieser Lösung zugeneigt und vor allfälligen Einwänden des Verfassungsgerichts gewarnt. Dieser kann von der politischen Opposition oder Einzelbürgern angerufen werden, wenn das Parlament das Gesetz abgesegnet hat. Einzelne Mitglieder des Höchstgerichts hatten das Burkaverbot bereits als verfassungswidrig bezeichnet.

Dass Sarkozy auf eine harte Linie umgeschwenkt ist, wird auf seine Regionalwahlschlappe im März und sein Umfragetief zurückgeführt. Die Nationalversammlung dürfte das Verbot im Juli verabschieden; im Herbst soll der Senat grünes Licht geben. Die Sozialisten ziehen wie der Staatsrat ein Teilverbot vor; Kommunisten und Grüne sind dagegen, Zentristen uneins. Sarkozys bürgerliche "Union für eine Volksbewegung" (UMP) hat aber in beiden Parlamentskammern eine bequeme Mehrheit.

Wie umstritten die Frage in Frankreich ist, zeigen zwei jüngste Vorfälle. Am Dienstagabend musste die Polizei in Montreuil (Pariser Banlieue) einen Diskussionsabend zur Burka wegen Handgreiflichkeiten beenden. In Saint-Nazaire (Atlantikküste) ohrfeigte eine Nikab-Trägerin eine unverschleierte Frau, die im Vorbeigehen geraunt hatte, Frankreich brauche ein rasches Inkrafttreten des Anti-Burka-Gesetzes. Der Ehemann der verhüllten Frau versuchte die Streitenden zu trennen; der Zwischenfall wird aber ein gerichtliches Nachspiel haben. Auch das Vorgehen eines Verkehrspolizisten in Nantes, der eine Autofahrerin im Nikab vor einigen Wochen wegen verengten Sichtfeldes mit einer Geldbuße belegt hatte, wird die Justiz beschäftigen. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Printausgabe, 20.5.2010)