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Sie klingt unspannend und ist auch einschlägigen Experten kaum bekannt, birgt für die Finanztransaktionssteuer aber Sprengkraft: Die "Richtlinie betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital" der EU regelt u. a. auch die Besteuerung von Wertpapieren und soll Behinderungen des freien Kapitalverkehrs sowie Diskriminierungen hintanhalten.

Vor der Neufassung der Bestimmungen vor zwei Jahren fand sich noch explizit ein Hinweis auf die EU-Kompatibilität der Transaktionssteuer. Jetzt ist nur noch eine Steuer auf die "Übertragung" von Wertpapieren die Rede. Das sorgt für Diskussionen, vor allem wenn ein Land die Abgabe im Alleingang beschließen wollte. Der deutsche Experte Stefan Maunz leitet daraus im Gespräch mit dem Standard ab, dass möglicherweise nicht das Volumen, sondern nur die Zahl der Transaktionen besteuert werden dürfte. Damit wäre die Abgabe nutzlos, weil sie von den gigantischen gehandelten Volumina an den internationalen Finanzmärkten profitiert.

Auch der Steuerexperte Friedrich Rödler, Partner der Beratungsgruppe PwC, hat Bedenken: "Wenn das nicht sorgfältig ausgearbeitet wird, fliegt uns das um die Ohren." Er verweist darauf, dass ein allfälliger Verstoß gegen die EU-Richtlinie auch rückwirkend relevant sei, die Steuereinnahmen also bei einer Aufhebung durch den Europäischen Gerichtshof wieder refundiert werden müssten. So war es auch bei der Getränkesteuer.

Maunz sieht zudem "ganz klar das Risiko der Unvereinbarkeit mit dem Europarecht, weil ein Alleingang die Kapitalverkehrsfreiheit beschneidet" . Es müsste also die genannte Richtlinie geändert werden, was aber nur mit einem einstimmigen Beschluss möglich wäre. Anders sieht das der Wiener Finanzrechtsprofessor Werner Doralt: Das Wort Übertragung von Wertpapieren könne nicht so eng ausgelegt werden.

Finanzstaatssekretär Andreas Schieder erklärte im ORF, es sollten alle Transaktionen außer Gehalts- und Pensionszahlungen besteuert werden. Dazu zählt er auch private Überweisungen oder den Handel der Pensionskassen.

Der spanische Ratsvorsitz erklärte, sich weltweit für die Abgabe einsetzen zu wollen. "Für mich ist das eine mittel- und langfristige Maßnahme der EU" , sagte Spaniens EU-Staatssekretär Diego Lopez Garrido. Die grüne Europaabgeordnete Ulrike Lunacek übte im Standard-Gespräch scharfe Kritik an Kanzler Werner Faymann (SPÖ), der ein Volksbegehren auf EU-Ebene durchführen will. "Das ist ein Missbrauch dieses Instruments" , erklärt sie, das EU-Referendum sei für die Bürger geschaffen worden und "nicht für Regierungschefs. Er hat das im EU-Rat durchzusetzen."

Kritik an Faymann

Erschwerend sei, dass für das Instrument des EU-Begehrens erst einmal die rechtliche Basis geschaffen werden müsse. So sei in den Verhandlungen mit der EU-Kommission noch nicht eindeutig geklärt, ob ein solches Volksbegehren sich auch auf Vertragsänderungen der Union beziehen könne. "Fälschlicherweise suggeriert die SPÖ auch, dass die Einnahmen ins nationale Budget fließen, aber es ist klar, dass die Steuer in EU-Töpfe fließen soll." Faymanns Vorstoß bedeute in der Frage einer Finanztransaktionssteuer, die sie selber sehr begrüßen würde, "nichts als Zeitverlust" .

Ein EU-Begehren würde frühestens Anfang 2011, vermutlich noch später möglich sein und noch später Wirkung zeigen. Heute ginge es aber darum, dass die Regierungschefs rasch handeln, erklärte Lunacek.

 (Andreas Schnauder, Thomas Mayer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.5.2010)