Foto: Edel

Berühmt wurde sie in der Modewelt als dürres Supermodel, das sich als Alleinstellungsmerkmal im Gewerbe die Augenbrauen wegrasierte. Die gebürtige Britin Karen Elson lief in der Folge für alle großen Designer, sie war unter anderem die "Muse" Karl Lagerfelds. Und sie traf vor einigen Jahren während der Dreharbeiten zu einem Videoclip des US-Duos The White Stripes deren Kopf Jack White. Eine Eheschließung und zwei Kinder später veröffentlicht das mittlerweile in der Country-Hochburg Nashville, Tennessee, lebende Paar nun Elsons erstes Soloalbum. Der Gatte saß am Schlagzeug und besorgte die Produktionsarbeit auf historischem Analog-Equipment. Elson schrieb die Songs und singt mit angenehm stoischer, sich von den Textturbulenzen nicht weiter beeindruckt zeigender Altmädchenstimme und spielt eine zurückhaltende Gitarre.

Die Songs von "The Ghost Who Walks" drehen sich dabei, so wie es sich für schattseitig gedeuteten Country an weniger dramatischen, trunksüchtigen und das Weihwasser meidenden Tagen gehört, um zwar mitunter schwere Themen wie den Tod, die Verdammnis, verregnete Sommer und Liebe wie welke Blumen. Olsens Mischung aus orgellastigen Sixties-Retro-Pop-Sounds, ein wenig Vaudeville- und Theater-Klimbim-Walzer-Sounds im Stile eines Tom Waits sowie rumpelig-krachigem Country wie ihn Jack White zuletzt für Country-Doyenne Lorretta Lynn produzierte, untermauert aber zumindest in der ersten Spielhälfte von "The Ghost Who Walks" eines. Ganz gewiss erweist sich Elson (mit Ausnahme der altvorderen großen Nico) als bis dato überzeugendstes Supermodel, wenn es darum geht, Tonträger zu besingen. Man denkt mit Schrecken an ähnliche, wenngleich auch soundmäßig modernere Versuche von Kate Moss (Rave-Rock mit Primal Scream), Naomi Campbell (U2-Dancefloor mit dem U2-Umfeld) oder Carla Bruni mit ultrasensiblen Akustik-Chansons.

Mit Bruni gemeinsam hat Elson allerdings das Talent zum Songwriting. Wenn sich jetzt der Ehegatte für die zweite Albumhälfte etwas mehr Zeit für die Arrangements genommen hätte, und nicht bloß im Sinne eines Dienstes gearbeitet hätte, wäre das eine überzeugende Debütleistung Karen Elsons, zumal es immer recht hübsch klingt, wenn es der Künstlerin zwischendurch ihren derben britischen Arbeiterakzent in die Cowboyglückseligkeit hineinweht. (Christian Schachinger/ DER STANDARD, Printausgabe, 21.5.2010)