Die österreichische Fußballmeisterschaft ist entschieden. Einmal mehr hat Österreichs unbeliebtester Spitzenverein, eine von einem Erfrischungskonzern aufgepäppelte Legionärstruppe, den Meistertitel errungen. Zwölfmal 1:0 war für die Austria am Ende doch zu wenig. Rapid wurde indes Opfer seiner spielerischen Unausgeglichenheit.

Das spannende Finale war gleichwohl das Beste in dieser Saison. Von der Spitze ist das, europäischen besehen, meilenweit entfernt. Was hinter den drei oder vier Klubs oftmals zum Besten gegeben wird, reicht kaum an das Niveau der Partie Osnabrück gegen FSV Frankfurt heran. Und das spielt sich absurderweise pro Saison viermal ab, viermal Kapfenberg gegen Ried, viermal Wiener Neustadt gegen Kärnten.

Der österreichische Fußballalltag ist grau, Provinzialität, die sich reproduziert und perpetuiert. Der Attraktion, in dieser Liga zu spielen, ist gering, selbst wenn man ganz vorne mitmischt. Diese Beschränktheit ist es, die es vor allem verhindert, dass der Fußball hierzulande, vereinsmannschaftlich wie nationalmannschaftlich, jemals aus dem Schlamassel seiner Mittelmäßigkeit herauskommt und zumindest wieder jenes Niveau erreicht, das Österreichs Fußballsport in den 1950er und 1970er Jahren noch besaß - von den Zeiten des "Wunderteams" oder der wundersamen Triumphe Rapids gegen deutsche Spitzenmannschaften einmal ganz zu schweigen.

Vorbild Mitropacup

Eine zugegeben radikale Lösung des Problems bestünde darin, eine attraktive transnationale zentraleuropäische Fußball-Liga ins Leben zu rufen, die wenigstens ansatzweise an das Spielniveau von Portugal oder Deutschland heranreicht. Kurzum, ein Blick über den Zaun, den so manche, nicht nur rechtslastige Politiker - siehe die diversen Sager aus dem burgenländischen Wahlkampf - wieder hermetisch absperren oder bewachen wollen, wäre angesagt.

Auch wenn unsere Nachbarländer im Süden, Osten und Norden vor allem auf der Ebene der Nationalmannschaften allemal erfolgreicher agieren als wir verlässlichen Zaungucker, stehen sie doch strukturell vor ganz ähnlichen Problemen. Denn auch in diesen Ländern gibt es maximal drei oder vier Mannschaften, die eine bestimmte Spielsubstanz besitzen. Kapfenberg heißt dort Dubnica, Domzale oder Diosgyör. Wie wäre es also - viribus unitis - mit der Schaffung einer zentraleuropäischen Spitzenliga, die aus den jeweils zwei oder drei momentan besten Vereinen aus Ungarn, Tschechien, der Slowakei, Slowenien, Kroatien und Österreich besteht?

Das wäre zu schön, um wahr zu sein: Kapfenberg - Ried nur zwei- statt viermal zu sehen und stattdessen im Saisonalltag dafür spannende Matches, sagen wir, zwischen Dinamo Zagreb und Rapid Wien, zwischen Ferencvaros und der Austria oder zwischen Sparta Prag und Olimpija Ljubljana geliefert zu bekommen: ein fußballkultureller Quantensprung. Die "g'mahte Wies´n" wie in der gemischten Eishockey-Liga (in der freilich keine tschechischen und keine slowakischen Clubs mitspielen) würde es für die österreichischen Vereine keineswegs werden; aber vielleicht könnten es zum Beispiel Rapid oder Austria wenn nicht morgen, so doch übermorgen schaffen, den Meister in solch einer Mitropa-Liga zu stellen.

Verbessern würden sich die österreichischen Vereine in dieser Konkurrenz allemal. Zudem ließe mit so einer transnationalen Meisterschaftsreform nach Art des Mitropacups auch - dank erhöhten Zuschauerzuspruchs und zusätzlicher TV-Einnahmen - entsprechendes Geld lukrieren; damit wächst das Prestige und damit auch die Chance, auf europäischen Boden besser bestehen zu können.

Jene österreichischen Firmen, Banken, Versicherungen, Straßenbaugesellschaften und Hotellerien, aber auch einige Neureiche in den postkommunistischen Ländern, die in den Goldenen Jahren zwischen 1989 und 2008 in unseren Nachbarländern das Geld nur so gescheffelt haben, könnten sich hierbei als Investoren bewähren - und würden ihr Geld dabei wohl noch vermehren.
Grenzen überschreiten

Der objektive Charme des Fußballs, der Härte, Konkurrenz mit Eleganz und Sachverstand verknüpft, verhindert jedwede nostalgische Rührseligkeit. Fußball hat nichts mit Backenbart im Sinn. K und K. wird nicht gegeben. Als agonales Spiel zwischen strukturell gleichen Rivalen repräsentiert Fußball das Gegen- und Miteinander der kleinen Länder im Zentrum Europas durchaus realistisch. Robert Musil hat einmal sarkastisch davon gesprochen, dass das, was die Völker in dieser Ecke Europas zusammenhält, die wechselseitige Abneigung sei. Diese lässt sich kultivieren, ohne befürchten zu müssen, dass eine solche Liga zum Transmissisonsriemen eines neuerlichen Chauvinismus werden könnte. Dem widerspricht nämlich der transnationale Rahmen des Unternehmens. Zudem kicken doch in Österreichs Ligen ohnehin schon die Ballkünstler aus unserer Nachbarschaft.

Wenn also die neue Fußball-Liga neben attraktiveren Matches und klingenden Kassen einen wenn auch noch so bescheidenen Beitrag zu einem neuen Nachbarschaftsgefühl erzeugen würde, wäre das ein Segen. Nicht undenkbar, dass ein populärer Vorschlag eines gemeinsamen Projekts über die Grenzen hinweg den klebrigen Heimat-Populismus einmal in Verlegenheit bringt. (Wolfgang Müller-Funk* - DER STANDARD PRINTAUSGABE 19.5. 2010)