Nur für eine Zigarette ruhen die Traktoren: Kim Yong Gu, "Der Tag bricht an" aus dem Jahr 1978.

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Wien - Immer dann, wenn Präsident Kim Il Sung bei den "Kunstschaffenden" weilt, läuft ein Tonband mit. Es dient dem Präsidenten als Back-up. Die Künstler selbst machen sich lieber handschriftliche Notizen, halten fest, was aktuell Programm ist. Papst Kim Il bringt seine Ideen dar; den Pontormos, Michelangelos und Botticellis aus dem volksrepublikanischen Norden Koreas bleibt dann Spielraum genug, die glücklichsten Kinder der Welt in Öl anzulegen oder den Klang des Lesens in der revolutionären Basis in Tusche. Wer nicht aufgepasst hat, dem bleibt stets die Option, Die ewige, unsterbliche Blume abzubilden, der kann so weit gehen wie Jo Won Du im letzten Jahr und flächig angelegte Blütenranken in prekärem Gleichgewicht mit nachgerade greifbarem Stockrosengewächs in Rot zu verbinden.

Das Mak zeigt die Highlights nordkoreanischer Gegenwartskunst; mitsamt der Darstellungen jener Präsidenten, die immer bei ihrem Volk sind, wie Jong Hui Jin das eindrücklich darstellt. Er zeigt, dass jenes Volk, von dem wir hier so wenig wissen, seinen Präsidenten im Wohlgenährtsein um nichts nachsteht. Kim Jong-il, ist den Großformaten unzweifelhaft abzulesen, trotzt den kalten Wintern im Norden so heldenhaft wie jene Bauarbeiter ohne Zahl, die heroisch Staudämme errichten, und jene berittenen Gardisten, die die Grenze zum Bösen ebenso dicht halten, wie der nationaltypische Parka allen ideologischen Irrwinden gegenüber resistent ist.

Die spärliche Tagesfreizeit verbringen die Präsidenten seit jeher ZuBesuch bei einer Bauernfamilie, um dort auf ihresgleichen zu treffen, auf dicke Kinder in päpstlich-purpurnen Schnürschuhen und goldige Küken, denen es nie an Pickbarem fehlt. Kim Won Siks Darstellung unterscheidet sich durch nichts von den hierzulande so beliebten Darstellungen geruchsfreier Idealbauern durch Ferdinand Georg Waldmüller oder den Stilisierungen diverser Landeshauptväter durch honorige Kreative aus der Werbewirtschaft. Nordkorea, das ist, wovon Spin-Doktoren träumen, das Land der unbegrenzten Einflussnahme, das ist dort, wo dralle Straßenfegerinnen frühmorgens schon mit bleckenden Zähnen den Segen zentraler Dentalvorsorge preisen und unkaputtbare Traktoren den Tagesanbruch in den dortigen Tullner Becken verkünden.

Lasst uns die Produktion von Seetang steigern. Lasst uns in der gesamten Gesellschaft eine Atmosphäre des Lesens und des Studierens errichten! - Untadelige Apelle zum Z'sammhalten, malerisch wie grafisch gut gelöst, angelegt, als wäre es seit frührevolutionären Tagen darum gegangen, ein Kompendium für den Taschen-Verlag zu erarbeiten. Jon Yong Sams Freude über die Beseitigung des Analphabetismus teilt sich ebenso unmittelbar mit, wie Darstellungen stolzer Landesväter vor der Silhouette der kraft ihrer Kraft gewachsenen Hauptstädte zum international anerkannten Kanon der Repräsentation zählen.

Die Schau im Mak liefert schlicht Material, zeigt Zeitgenossenschaft, stellt die Originale den Fantasien über die Produktion "der Fremden" zur Seite. Das Gold der Skythen, Futurismo & Futurismi werden ausnahmsweise einmal rechtzeitig präsentiert, nicht tausende Jahre oder entscheidende Jahrzehnte später. Dem Makist es gelungen, eine Produktion einsehbar zu machen, noch ehe die Kapitalkraft der Verklärung einsetzen kann. Aufbau und Gliederung enthalten sich jedes Kommentars, jedes Versuchs, eine Hierarchie dahingehend einzuführen, was wohl die bessere, die avanciertere Zeitgenossenschaft wäre. Blumen für Kim Il Sung zeigt, was ein Staat unter Kunst von seinen Künstlern fordert. Von Künstlern, die genau dazu ausgebildet und bezahlt werden.

Die Schau ist kein Statement, sie liefert den Stoff, aus dem kommender Neo Rauchs Träume sein werden. Sie zeigt staatstragende Kunst, sie zeigt den gemeinsamen Fluchtpunkt von Akademismus und Avantgarde. Kim Ils Blumen sind der nie eintretende Normalfall, unter ihnen fühlt der Diktator sich geborgen, sie zeigen Das Ziel, verkünden Die neuesten Nachrichten. So wie sie keiner Gegenmalerei bedürfen, brauchen sie auch keine Pädagogik. Sie sind Paradebeispiele expliziter Malerei. (Markus Mittringer/DER STANDARD, Printausgabe, 19. 5. 2010)