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Werner Faymann macht sich für das erste europaweite Referendum überhaupt stark.

Foto: APA/Fohringer

Brüssel - Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) will ein EU-weites Referendum für die Besteuerung von Finanztransaktionen starten. Die EU-Bürgerinitiative wurde in Berlin gemeinsam mit der SPD und deren Fraktionsvorsitzendem Frank-Walter Steinmeier sowie SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel vorgestellt, ehe der Kanzler vor der Bundestagsfraktion der SPD eine Rede zur Finanzmarktregulierung hielt.

SPÖ und SPD legten den Rahmen des Volksbegehrens fest. Die inhaltliche Ausformulierung soll am SPÖ-Parteitag im Juni präsentiert, die rechtlichten Details bis Herbst geklärt sein. Wichtige Einschränkung: Es soll nur stattfinden, wenn sich die konservativ-liberalen Regierungen in der EU gegen die geplanten Maßnahmen querlegen.

Eine Million Unterschriften aus neun Ländern

Es wäre das erste EU-weite Referendum überhaupt, das durch den Lissaboner Vertrag ermöglicht wurde. Damit das Volksbegehren für eine Transaktionssteuer von der EU-Kommission behandelt wird, sind mindestens eine Million Unterschriften aus wenigstens neun EU-Ländern nötig. Das Volksbegehren soll gegebenenfalls noch heuer starten.

"Am liebsten" wäre es ihm, so Faymann in einer Aussendung, "rechtlich festzulegen, dass es verbindlich ist". Faymann und Gabriel wollen auch andere europäische Sozialdemokraten, aber auch NGOs und die Bürger mobilisieren, "um den Druck auf europäische Politiker und Parteien, die eine überfällige Regulierung der Finanzmärkte immer noch verzögern, zu erhöhen."

Gefordert werden neben der Transaktionssteuer strenge Risikovorsorgen für Banken und eine Bankensolidarabgabe als Beitrag zu den Krisenkosten, striktes Verbot hoch spekulativer Finanzprodukte, eine europäische Ratingagentur, eine durchsetzungsfähige Finanzmarktaufsicht, die eben beschlossene strenge Regulierung von Hedgefonds und ein EU-weiter Konsumentenschutz bei Finanzprodukten.

"Brauchen kein Volksbegehren"

Der ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament, Ernst Strasser, sprach von einem "Armutszeugnis für unseren Bundeskanzler, dass er ein Instrument, das dem Bürger gehört, gebraucht für seine populistischen Spiele". Der EVP-Vizefraktionschef Othmar Karas kritisierte, der Vorschlag sei "fernab von der derzeitigen Kompetenzsituation" in der EU. Strasser und Karas zeigten sich davon überzeugt, dass eine europäische Finanztransaktionssteuer kommt, und sprachen sich auch dezidiert dafür aus. "Wir brauchen kein Volksbegehren, der politische Wille ist vorhanden", sagte Karas. Er erwarte eine Einigung der EU-Finanzminister auf eine solche Steuer noch vor dem Herbst.

Auch die Reaktionen der drei Oppositionsparteien fielen am Dienstag einhellig kritisch aus. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bezeichnete das Vorhaben in einer Aussendung als "reine Augenauswischerei", und für die Grünen ist der Vorstoß eine "Show". Dass "der Regierungschef auf Oppositionsmethoden" zurückgreifen müsse, ist für das BZÖ ein "Armutszeugnis".

Pröll will "Thema voranbringen"

Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) sprach im Gegensatz zu Strasser und Karas von einem "Erfolg für Österreich und unsere Bemühungen, dass in der Eurogruppe alle Finanzminister sich dafür ausgesprochen haben". Die Idee der Finanztransaktionssteuer sollte forciert und weiter betrieben werden. "Eine europäische Finanztransaktionssteuer macht Sinn, die beste Lösung ist die globale Lösung, die zweitbeste eine europäische", sagte Pröll nach dem Ministerrat. Einen nationalen Alleingang sowie ein europäisches Referendum hält er für nicht sinnvoll. Mit nationalen Maßnahmen zu agieren, würde allerdings nur zu Transaktionsflucht und Kapitalflucht führen, warnte Pröll.

Der Vorsitzende der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, habe gefragt, ob jemand Bedenken oder Einwände äußere, und dies sei von niemandem erfolgt, so Pröll weiter. Ein Beschluss für eine Einführung der Transaktionssteuer sei natürlich nicht gefasst worden. "Aber es ist klargestellt worden, dass wir das Thema voran bringen wollen. Wir sind am Beginn der Debatte, aber es bewegt sich", und dies sei "eine politische Botschaft". 

Kapitalquelle für die EU

Die Finanztransaktionssteuer könnte laut Pröll auch als "Eigenkapitalquelle" der EU dienen, womit auch die Nettozahler entlastet werden könnten. "Wir steuern auf sehr schwierige Budgetdebatten ab 2011 zu."

Einen Gegensatz zur Bankenabgabe, die in Österreich beschlossen wurde, sieht Pröll nicht. Die koordinierten 500 Mio. Euro "stehen außer Streit". Was eine Börsenumsatzsteuer betrifft, meinte der Finanzminister, es gehe nun ums Sparen, und "da rede ich nicht jeden Tag über neue Steuern". Bei einer Finanztransaktionssteuer würden jedenfalls nicht die Bankkunden erfasst.

Deutsche Koalition einig

Auch im deutschen Bundestag haben sich Union und FDP im Grundsatz bereits auf die Forderung nach einer Besteuerung des Finanzmarktes verständigt. Die Frage, ob es sich dabei um eine Finanztransaktionsteuer oder eine Finanzaktivitätsteuer handeln soll, blieb aber zunächst offen, wie Unions-Fraktionschef Volker Kauder und FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger mitteilten. Zudem sollen demnach ungedeckte Leerverkäufe verboten und der Aufbau einer europäischen Ratingagentur vorangetrieben werden.

"Wir haben im Koalitionsausschuss vereinbart, dass die Bundesregierung aufgefordert wird, über die Bankenabgabe hinaus sich für eine europäische globale Beteiligung der Finanzmärkte an den Kosten der Krise einzusetzen, das heißt Finanztransaktionsteuer oder Finanzaktivitätsteuer", sagte Kauder. "Wir wollen die Stabilisierung des Euro, wir wollen aber auch, dass die Finanzmärkte an der Stabilisierung beteiligt werden", fügte der CDU-Politiker hinzu.

Auseinandersetzung mit Großbritannien

Hannes Swoboda, Vize-Fraktionschef der Sozialdemokraten im EU-Parlament, betonte, die Auseinandersetzung über eine Finanztransaktionssteuer müsse offen mit Großbritannien geführt werden. Spanien habe dem früheren Labour-Premier Gordon Brown zugesagt, das Thema während des britischen Wahlkampfes nicht aufzubringen. Sollte sich nunmehr die neue konservativ-liberale britische Regierung gegen die Finanztransaktionssteuer stemmen, könne Großbritannien auch nicht auf europäische Solidarität in anderen Bereichen, etwa bei der Finanzmarktaufsicht, zählen, sagte Swoboda.

Juncker hat die Forderung nach einer europäischen Finanztransaktionssteuer jedenfalls vollinhaltlich unterstützt. "Ich habe da überhaupt nichts dagegen", sagte er Dienstagfrüh nach dem Treffen der Eurogruppe in Brüssel. Unter den 16 Euro-Ländern habe sich keines dagegen ausgesprochen, den Finanzsektor an den Kosten der Krise zu beteiligen.

Die Eurozone wolle sich nun auf internationalem Parkett dafür einsetzen, den Finanzsektor stärker an der Krisenbewältigung zu beteiligen. Dazu gehöre auch diese Steuer, so Juncker. (Reuters/APA/red)