"Spitzt Eure Schweinsohren"

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Wir leben in Zeiten großer Ungerechtigkeit. Die bloße Feststellung dieser Tatsache bliebe eine Banalität, eröffnete sie nicht gleichzeitig den Ausblick in eine bessere Welt, in der ein Deus ex machina waltet und gelegentlich Obacht gibt, dass manchen Opfern, wenn schon nicht späte Gerechtigkeit, so doch wenigstens eine neue Chance zuteilwird. Eines der erbaulichen Beispiele aus jüngster Zeit für Gnadenerweise dieser Art ist Wulli-Bulli, von dem die "Kronen Zeitung" Montag über eine halbe Seite in Wort und Bild berichtete. Es handelt sich dabei um jenes schlaues Tierchen, das unermüdlich dem Bauern seines Herzens in TV-Spots Bioprodukte anpreist. Wulli-Bulli wurde gecastet, wie das heute in diesem unerbittlichen Geschäft üblich ist, und durfte in vielen Spots mitwirken. Das Werbeschwein wich seinem Herrl dabei nicht von der Seite, verjagte wie ein Hund aufdringliche Vertreter und gewann die Herzen vieler mit der witzigen Aufforderung: "Spitzt eure Schweinsohren!" Also genau das, was für die "Krone" eine echte Traumkarriere darstellt. Aber leider: eine kurze. Plötzlich aus, vorbei: ein aufgetakelter Manager eröffnete Wulli-Bulli und ihrem Trainer, sie sei zu alt, zu groß geworden. Möglicherweise auch zu dick. Das sitzt, das kränkt. Abserviert.

Doch da trat besagter Deus ex machina, verkleidet als Stammwirt des Trainers auf den Plan, den harten Schicksalsschlag des einstigen TV-Stars abzuwehren, und sprach die geflügelten Worte: "Sie bekommt ihr Gnadenbrot bei mir, hier im Gehege, bis ans Ende ihrer Tage." So viel Gerechtigkeit würde man so manchem TV-Star wünschen, noch ehe er den Zustand der Einstigkeit erreicht hat.

Das ist aber noch gar nichts gegen die Ungerechtigkeit, die zwei Kärntner Brüdern von der Zeitung "Österreich" angetan wurde. Auch sie sind ihrem Herrl nicht von der Seite gewichen, als es noch lebte, und gewannen die Herzen vieler, aber nicht aller, als in Knittelfeld ihr "Spitzt eure Schweinsohren" erklang. Das hinderte das Blatt nicht, am Samstag von einem Gagen-Skandal bei Scheuchs zu schreiben, ihnen unter Benutzung des Wortes Privilegienritter vorzuwerfen, als Bauern von der EU massiv abzukassieren und überhaupt in fünf Jahren 117.966 Euro zu viel Polit-Gage kassiert zu haben.

Hier schlüpfte der Deus ex machina in die Gestalt Justitias, und als solcher setzte er in derselben Ausgabe für Frau Jutta und Frau Monika Scheuch sowie Herrn Landeshauptmannstellvertreter DI Uwe Scheuch und Herrn Klubobmann Ing. Kurt Scheuch die Veröffentlichung nachstehender Gegendarstellung durch: Diese Behauptungen sind insoweit unwahr, als Jutta und Monika Scheuch niemals von DI Uwe Scheuch und/oder Ing. Kurt Scheuch "losgeschickt" oder auf sonstige Weise beauftragt wurden, um Claudia Haider von der Annäherung an Heinz-Christian Strache oder sinngemäßem zu überzeugen. Jutta und Monika Scheuch waren auch zu keinem Zeitpunkt "im Jagdhorn-Verein von Frau Haider" oder ähnlichem.

Dieser Triumph der Gerechtigkeit kommt zwar etwas spät, stammt der Vorwurf losgeschickter Ehefrauen doch vom 10. Jänner. Aber eine Rechtswahrung, der die Mitgliederliste im Jagdhornverein von Frau Haider nach vier Monaten noch eine Gegendarstellung wert ist, erlaubt die Hoffnung, dass auch der Gagen-Skandal bei Scheuchs irgendwann einmal nicht so dargestellt wird, als würden Privilegienritter ihr Gnadenbrot hier im Gehege bis ans Ende ihrer Tage genießen.

Das verlangt die Gerechtigkeit. Zu der auch ein wenig Glück gehört, wie die "Krone" am Sonntag auf der Doppelseite Glück gehabt, kleines Schwein! bewies. Diesmal war es nicht Wulli-Bulli! Eigentlich war das erst wenige Wochen alte Schweine-Mädchen schon zusammengepfercht mit Hunderten Artgenossen auf dem Weg zum Schlachthof. Dann aber katapultierte sich das Tier mit einem unglaublichen Satz - und Lebenswillen - über die Ladebordwand des Lkw. Jetzt hat die "Krone" das Tier, das in seinem kurzen Leben schon so viel Leid, Schmerzen und Todesangst erleben musste, "adoptiert". Begrüßen Sie mit uns das "Glücksschwein der ,Krone'", über das wir auch in Zukunft berichten werden.

Um die Zukunft der Berichterstattung muss man sich dort keine Sorgen machen, versicherte doch der legendäre Gründer Freitag bei einer Melange: "Solange mir ein gütiges Schicksal die Kraft gibt, meine Meinung zu vertreten, werde ich das weiter tun." Ein Lichtblick für alle Wulli-Bullis. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 18.5.2010)