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Was die Polizei zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit darf, wurde 1993 mit dem Sicherheitspolizeigesetz geregelt.

Foto: APA/HERBERT P. OCZERET

Die Politik will sich nun wieder mehr Einfluss auf die Exekutive sichern. 

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Wien - Lauschangriff, erweiterte Gefahrenerforschung, Vorratsdatenspeicherung - gibt es überhaupt noch unbeschnittene Bürgerrechte? Und wie viele Befugnisse soll die Polizei denn noch erhalten? Wolf Szymanski, langjähriger Leiter der Rechtssektion im Innenministerium und jetzt im Ruhestand, lässt sich mit solchen Fragen nicht aus der Reserve locken. Stattdessen verblüfft er mit der These, dass die Polizei bis in die 90er-Jahre eigentlich viel mehr durfte als jetzt, weil sie bis dahin auf Basis uralter Gesetze in einem Graubereich agieren konnte, in dem der Exekutive praktisch nichts verboten war.

Als Szymanski 1972 in Wien seine Laufbahn als Polizeijurist einschlug, konnte er noch nicht ahnen, dass er es einmal sein sollte, der die Kompetenzen der Sicherheitspolizei klar regelt. "Das Datum werde ich nie vergessen", erinnert er sich. "Am 15. März 1989 erhielt ich vom damaligen Innenminister Franz Löschnak (SPÖ) den Auftrag, erstmals ein Polizeibefugnisgesetz zu schaffen."

Die Regierung war gerade schwer unter Druck. Hauptsächlich wegen des Lucona-Ausschusses (Spitzenpolitiker waren in die Mordaffäre um den versenkten Frachter verwickelt), der offenbarte, dass die Politik in der Staatspolizei das Sagen hatte, andererseits immer noch wegen der Gewaltexzesse bei der Räumung der besetzten Hainburger Au im Jahr 1984. Szymanski: "Der niedergeschlagene, aber dann doch erfolgreiche Protest gegen die Rodung des Augebietes war der Anfang der moderneren Bürgerbewegung, andererseits aber auch das Ereignis, das nicht wenige Polizisten erkennen ließ, dass eine gesetzliche Aufgabenumschreibung notwendig ist."

Aus einem geplanten Polizeibefugnisgesetz wurde schließlich im Jahr 1993 das Sicherheitspolizeigesetz (SPG). "Darin wurde erstmals definiert, was die Polizei zur Gefahrenabwehr überhaupt darf. Außerdem, und auch das war eine Premiere, hielt es fest, dass Datenermittlungen ein Eingriff in die Grundrechte sind und nur unter bestimmten Umständen eingesetzt werden dürfen", betont Szymanski. Goutiert wurde es nicht allgemein: Kritiker sprachen damals dennoch vom "Polizeistaat".

Bald war klar, dass auch die aus dem 19. Jahrhundert stammende Strafprozessordnung (StPO) novelliert werden musste. Denn auf einmal saß die Polizei rechtlich zwischen zwei Stühlen, wie Szymanski mit einem Beispiel veranschaulicht: "Wird ein Beamter zu einer Schlägerei gerufen, muss er sie gemäß SPG zur Aufechterhaltung der öffentlichen Sicherheit möglichst schnell beenden. Aus kriminalpolizeilicher Sicht gibt ihm die StPO hingegen den Auftrag, Beweise zu sichern. Was am besten geht, wenn der Vorfall bis zum Schluss beobachtet wird."

Was folgte, war eine langjährige Befugnisdiskussion, die unter anderem 1997 zur Aufnahme der besonderen Ermittlungsmethoden - besser bekannt als großer Lauschangriff und Rasterfahndung - in die StPO führte. Damit wurde eine Verschmelzung von sicherheits- und kriminalpolizeilichen Aufgaben ermöglicht.

Danach war es inhaltlich eigentlich nur noch ein kleiner Schritt zur großen StPO-Reform. Das Modell, das Szymanski gemeinsam mit Sektionschef Roland Miklau aus dem Justizministerium zunächst entworfen hatte, sah ein kriminalpolizeiliches Ermittlungsverfahren innerhalb des Sicherheitsapparates vor. Als dies scheiterte, trat das Modell einer Verfahrensherrschaft der Staatsanwaltschaft in den Vordergrund, mit dem viele die Weisungsfreistellung der Staatsanwälte verbanden.

Die politische Wende im Jahr 2000 begünstigte die Reform, weil sie von jenen politischen Kräften mitgetragen wurde, die sonst die "Sicherheitskeule" geschwungen hätten. Als die Neufassung des strafprozessualen Vorverfahrens schließlich 2008 als Jahrhundertwerk aus der Taufe gehoben wurde, war ein ursprünglich geplanter Punkt aber verschwunden. Die Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte an die Spitze des Justizministeriums war immer noch da. Bis heute.

Unnötig weit gefasste Gesetze 

Szymanski betrachtet Strafrechtsparagrafen der jüngsten Generation mit Skepsis: "Man hat das Gefühl, dass manche neue Regelungen unnötig weit gefasst wurden. So weit, dass sie politisches Einmischen ermöglichen", meint er etwa zum Anti-Mafia-Paragrafen 278a, nach dem sich derzeit 13 Tierrechtler in Wiener Neustadt in einem Monsterprozess verantworten müssen.

Bei der geplanten Vorratsdatenspeicherung kommt hingegen wieder der Polizist im Juristen durch: "Wenn etwas passiert, ist klar, dass die Polizei wissen will, wie und von wem das Ganze vorbereitet worden ist", so Szymanski. "Es ist aber ebenso klar, dass Daten, wenn nichts passiert ist, nicht verwendet werden dürfen und ungesehen gelöscht werden müssen." (Michael Simoner, DER STANDARD - Printausgabe, 17. Mai 2010)