Wien - Selbst die britische Queen hatte sich für die Schuldigen interessiert: "Why did no one see it coming?", fragte sie im November 2008, während sie der renommierten London School of Economics einen Besuch abstattete.

Dass das Heraufdräuen einer Weltwirtschaftskrise die Wissenschaft nicht bemerkt hat, ärgert die Ökonomen natürlich. Unter den Volkswirten begann eine Diskussion über mögliche eigene Fehler, wie Gunter Tichy, Universitätsprofessor an der Uni Graz, anlässlich der Jahrestagung der Österreichischen Nationalökonomischen Gesellschaft in Wien zugibt. Weil es ein Zusammenspiel vieler Krisen gab, die zum Absturz der Märkte führten, hätten viele Analysten zwar die Teilelemente der Krisenursachen erkannt, nicht aber deren Zusammenspiel. "Die Finanzkrise war als Ganzes so nicht vorhersehbar." Denn die Krise sei verursacht durch mehrere Komponenten: eine Überhitzung bei den US-Immobilien, die expansive Wirtschaftspolitik, die Finanzinnovationen sowie die Verhaltensänderungen der Finanzindustrie aufgrund der Deregulierungen in den USA.

Auch prominente Persönlichkeiten wie der US-Ökonom Nouriel Roubini hätten nur Teilaspekte der Finanzkrise vorausgesehen, erklärt Tichy. Im Falle von Roubini waren es die gefährlichen Folgen eines überhitzten US-Immobilienmarktes, die er erkannte. "Roubini hat die globale Komponente der Finanzkrise nicht vorausgesehen." Bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Krisenursachen sei eine sozio-ökonomische Herangehensweise notwendig, er werde sich jedenfalls dafür starkmachen, erklärte der Volkswirt Tichy. (ruz, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15./16.5.2010)