In der Krise liegt die Chance. Dieser Ansicht sind offensichtlich Kanzler und Vizekanzler, die auf jeweils unterschiedliche Weise versuchen, aus der Euro-Misere politisches Kapital zu schlagen. Finanzminister Josef Pröll genoss es sichtlich, in Brüssel im internationalen Scheinwerferlicht zu stehen. In heimischen Medien, die ihre Nähe zur ÖVP besonders betonen müssen, wird Pröll als "Krisenmanager wider Willen" gefeiert, der in einem "historischen Moment" heroisch gekämpft habe.

Der Bundeskanzler, der bei dem historischen Moment in Brüssel nicht dabei war, will offenbar nicht nachstehen und strebt seinerseits die Rolle eines europäischen Krisen-Feuerwehrmannes an. Er mache jetzt international Druck, damit eine Finanztransaktionssteuer und eine schärfere Finanzmarktkontrolle kommen werde, kündigte Werner Faymann an: "Ich werde mich auch persönlich sehr engagieren, hier Bündnispartner zu finden." Der SP-Pressedienst ergänzte: Der Bundeskanzler wolle "die europäische Öffentlichkeit mobilisieren" .

Da Faymann als die Schuldigen neben dem Finanzplatz London noch "die deutsche FDP und andere Neoliberale" ausmacht, darf man gespannt sein, was er bei seinem Besuch in Berlin am Dienstag ausrichtet. Nach Einschätzung von Faymann hat sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bei ihrem Koalitionspartner nicht durchsetzen können. Ein Termin mit FDP-Chef Guido Westerwelle steht jedoch nicht auf dem Programm. Man darf auch gespannt sein, was Faymann beim neuen konservativen Regierungschef David Cameron ausrichten wird - oder ob er überhaupt einen Termin bekommt.

Faymann fordert eine europäische Finanztransaktionssteuer, setzt aber in Österreich auf eine Bankenabgabe. Auf den Widerspruch, dass beides nicht gehe, darauf weist unter anderem die deutsche Kanzlerin hin. Auch der Internationale Währungsfonds hat sich gegen eine Finanztransaktionssteuer und für eine Bankenabgabe ausgesprochen. In Großbritannien und den USA wird ebenfalls die Bankenabgabe favorisiert.

Sollte die Krisentour Faymann auch in die Schweiz führen, wird er dort wohl auf einen anderen Widerspruch aufmerksam gemacht werden, auf den sein Klubchef Josef Cap vergessen hat hinzuweisen: Cap kritisierte im Kurier die Schweiz. "Die haben das Schwarzgeld aus Griechenland und ganz Europa auf ihren Banken liegen und entziehen so den anderen Staaten das Geld." Es gelte, Steueroasen wie die Schweiz trockenzulegen, befindet der SP-Politiker. Dass auch in Österreich Geld aus dem Ausland angelegt ist und das Land als Steueroase gilt und wegen des Bankgeheimnisses international immer wieder heftig kritisiert wird, dürfte Cap in seinem Kampf für die Euro-Rettung wohl kurzzeitig entfallen sein.

Dabei gäbe es an Krisenbewältigung für österreichische Politiker zu Hause genug zu tun: Pröll könnte bei seinem VP-Parteifreund, Gewerkschaftsboss Fritz Neugebauer, anfangen, der bereits Proteste gegen Personalkürzungen und Nulllohnrunden für Beamte angekündigt hat. Faymann könnte (nach der Landtagswahl am 30. Mai) den 22 Millionen Euro teuren Einsatz des Bundesheeres im Burgenland beenden. Gespart werden muss nicht nur in Griechenland, sondern auch inÖsterreich. Aber diese Wahrheit ist anscheinend dem österreichischen Volk (noch) nicht zumutbar. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.4.2010)