Die Inline-Skates rollen auf der Startbahn am besten, Radfahrer bevorzugen die Straße rund ums Rollfeld.

Foto: APN/Jens Schlueter

Wie jetzt? Einige Berliner Bürgerinnen und Bürger sind erbost. Das Flugfeld des ehemaligen Flughafens Tempelhof sollte doch ab dem vergangenen Wochenende für alle betretbar sein. Bis Oktober 2008 landeten noch Flieger am legendären Berliner Flugplatz. Die innerstädtische Lage und der Bau des neuen Zentralflughafens in Schönefeld ließen aber einen Weiterbetrieb nicht sinnvoll erscheinen. Der Senat entschied für die Schließung, ein sehr emotional geführtes Volksbegehren gegen diesen Entschluss scheiterte. Die riesige Grünfläche mit bequemer U-Bahn-Anbindung darf jetzt als Freizeitpark genutzt werden.

Doch einige aufgebrachte Bürger stehen zum Eröffnungsfest vor verschlossenen Toren. Die Polizei und das Security-Personal sperren kurzfristig einzelne Eingänge. "Je nach Sicherheitslage" heißt die Begründung. An Überfüllung kann es nicht liegen, fänden doch an die 400 Fußballfelder in diesem Areal Platz. Nein, die Sicherheitskräfte versuchen Gruppen linker Autonomer davon abzuhalten, das Gelände zu besetzen und spontan zu demonstrieren. Damit hindern sie aber auch ganz gewöhnliche Besucher am lang ersehnten Betreten des riesigen Flugfelds mitten in Stadt.

Tempelhofer Park

Davon bekommen die meisten Besucher aber nichts mit, dazu ist das Gelände mit seinen 380 Hektar zu weitläufig. Der "Tempelhofer Park" ist eine der größten Freiflächen der Welt innerhalb von Stadtgrenzen. Das Gebiet wurde in den letzten Jahrhunderten unterschiedlich verwendet. Nach der landwirtschaftlichen Nutzung exerzierte auf dem Areal das Militär. Vor hundert Jahren fanden hier die ersten Flugversuche tollkühner Männer in ihren fliegenden Kisten statt. Die deutsche Lufthansa wurde hier gegründet und startete den Linienflugverkehr in den 1920er-Jahren. Adolf Hitler ließ dann den damals größten Flughafen der Welt bauen. So entstand ein monumentaler Flugplatz, der für einen dreißigmal höheren Bedarf ausgelegt war, als ihn der damalige Bevölkerungsstand gebraucht hätte. Noch heute gilt das Flughafenbauwerk als eines der größten zusammenhängenden Gebäude der Welt. Nach dem zweiten Weltkrieg spielte der Flughafen bei der Blockade West-Berlins eine besondere Rolle. So landeten zwischen 1948 und 1949 zeitweise alle drei Minuten Transportmaschinen der Alliierten, um die eingeschlossene Bevölkerung mit Lebensmitteln und Briketts zu versorgen. Vor allem wegen dieser "Rosinenbomber" pflegen viele Berliner eine sentimentale Beziehung zu dem Gelände.

Jetzt wird das Tempelhofer Feld der Bevölkerung wieder zurückgegeben. Zwei Startbahnen umgibt eine riesige Wiese, die von allen nur das "Wiesenmeer" genannt wird. Steht man in der Mitte, wähnt man sich sogleich in eine zentralasiatische Steppe versetzt. Der freie Himmel öffnet sich über dem Kopf in einer Dimension, die der gelernte Mitteleuropäer sonst nur von Strandurlauben kennt. Kaum jemand, der hier nicht innehält und einmal tief durchatmet. Da kommen angenehme Gedanken auf, und so lässt sich dem Unbekannten nur zustimmen, der mit Kreide auf eine der beiden Startbahnen "Her mit dem schönen Leben!" kritzelte.

Grillbereiche

An den ersten offenen Tagen des Freizeitparks reichen sich die Besucher auch Empfehlungen weiter. So rollen die Inline-Skates auf den Startbahnen am besten, während Radfahrer die Straße rund um das Rollfeld bevorzugen. Läuft man als Jogger hier sechs Mal die Runde, hat man die Marathondistanz geschafft. Hundebesitzer haben drei Areale, um die Vierbeiner von der Leine zu lassen. Eines davon ist derzeit aber geschlossen, weil dort gerade eine Fuchsmutter ihre Jungen aufzieht. Gastronomie ist vorhanden, aber auch Grillbereiche sind ausgewiesen. Der Park wird bei Sonnenaufgang geöffnet und mit Sonnenuntergang geschlossen. Und um das ganze Gelände ist ein Zaun gezogen.

Gerade dieser Zaun stört die Gruppen der linken Autonomen. Sie befürchten einen Hochsicherheitspark, der von privaten Luxus- und Eigentumswohnungen umgeben wird, was hohe Profite für wenige verspricht und steigende Mieten sowie Verdrängung für viele bedeutet. Beim Eröffnungsfest schaffen sie es doch noch auf das Gelände. Ihr Protest bleibt jedoch marginal. Die 300 Demonstranten schluckt einfach der große Raum. (Peter Fuchs/DER STANDARD/Album/Printausgabe, 15./16./5.2010)