Bild nicht mehr verfügbar.

Beten und Hoffen wird nicht reichen, um den Euro zu stabilisieren. EZB-Boss Trichet zählt deshalb auf Deutschland als Vorbild.

Foto: EPA

Berlin/München/Frankfurt/Main - EZB-Präsident Jean-Claude Trichet fordert eine bessere Überwachung der Wirtschaftspolitik in Europa. "Wir brauchen verbesserte Strukturen, um Fehlverhalten vorzubeugen und zu sanktionieren", sagte Trichet im Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", das am Samstag vorab veröffentlicht wurde. Dazu gehöre die effektive Umsetzung gegenseitiger Kontrolle und wirksame Sanktionen bei Verstößen gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt.

Trichet sagte, dass der Euro trotz starker Verluste in den letzten Wochen nicht von Spekulanten attackiert worden sei.  Er betonte zudem, dass die Europäische Zentralbank bei ihrer jüngsten Entscheidung Staatsanleihen zu kaufen, völlig unabhängig gehandelt habe. Der Eindruck, dass die EZB von den Regierungschefs zum Handeln gedrängt wurde, sei "Unsinn". Die Zentralbank höre nicht auf die "Empfehlungen" der Regierungen, Märkte und Tarifparteien.

"Eigentliches Problem sind hohe Haushaltsdefizite in Euro-Ländern"

Für die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ist der Rettungsschirm für den Euro nur eine vorläufige Lösung. "Das eigentliche Problem sind insbesondere die hohen Haushaltsdefizite in den Euro-Ländern", sagte die CDU-Politikerin der "Süddeutschen Zeitung". Deutschland bestehe darauf, dass das "Problem bei der Wurzel angepackt werden muss, das heißt, dass die Länder die Staatsfinanzen in Ordnung bringen und sich um eine bessere Wettbewerbsfähigkeit bemühen müssen".

Außerdem gehe es nicht nur um den Euro, betonte die Kanzlerin: "Es geht bei der Stärkung der gemeinsamen Währung darum, ob mit der Währungsunion die ganze europäische Idee ins Wanken gerät. Denn wir wissen: Scheitert der Euro, dann scheitert mehr." Merkel forderte eine stärkere Verzahnung der Haushalts- und Wirtschaftspolitik in Europa. Dabei "dürfen nicht die Schwächsten die Entschiedenheit bestimmen, sondern die Stärksten, damit es gelingen kann", sagte sie. Sorgen vor einer Inflation trat Merkel entgegen: "Ich habe volles Vertrauen in die Europäische Zentralbank. Sie hat auch bereits in der Bankenkrise verantwortungsvoll und schnell gehandelt und den Euro stabil gehalten."

Trichet: "Deutschland muss anderen auf die Finger schauen"

Trichet erhofft sich zur Überwindung der gegenwärtigen Krise von Deutschland die Rolle einer Art "Euro-Polizei". Im Interview mit dem "Handelsblatt" forderte er Deutschland auf, eine Vorbildrolle einzunehmen. Die Regierung in Berlin stehe als eine Art Euro-Polizei in der Pflicht und müsse anderen Mitgliedstaaten der Euro-Zone auf die Finger schauen.

"Deutschland ist die größte Volkswirtschaft im Euro-Raum und ein Land mit der Tradition gesunder Staatsfinanzen", wird Trichet zitiert. "Ich zähle auf die aktive Rolle aller Länder, inklusive Deutschlands, die Funktion der Überwachung einzuführen", fuhr der EZB-Präsident fort.

"Entschlossenheit zählt"

Zugleich trat Trichet der Sorge entgegen, mit dem Ankauf von Staatsanleihen beschwöre die Europäische Zentralbank neue Inflationsgefahren herauf. "Wir ändern unseren geldpolitischen Kurs nicht. Es wird keine quantitative Lockerung geben. Wir werden die Liquidität, die wir in den Markt geben, hauptsächlich durch die Ausschreibung verzinslicher Termineinlagen wieder abziehen", sagte Trichet. "Was zählt, ist unsere Entschlossenheit und die Tatsache, dass wir unserem Ziel treu bleiben, Preisstabilität zu gewährleisten. Der EZB-Rat wird Inflation nicht tolerieren."

Kritik von Banken am Verhalten der EZB wertete der Zentralbankpräsident positiv. Wenn es sie gebe, liege das daran, "dass wir Dinge tun, um die sie uns nicht gebeten haben", antwortete Trichet auf eine entsprechende Frage. "Das ist doch ein Beweis unserer Unabhängigkeit von Interessengruppen", fügte er hinzu. Schließlich widerlege es, "dass wir auf Druck der Banken aktiv geworden sind".

Tumpel-Gugerell: Haushaltskonsolidierung hat oberste Priorität

Das EZB-Direktorumsmitglied aus Österreich, OeNB-Vizegouverneurin Getrude Tumpel-Gugerell, gibt der Konsolidierung der Haushalte der Euro-Länder derzeit ebenfalls oberste Priorität. Sie sei zuversichtlich, dass die Mitgliedsländer ihre Programme auch glaubhaft und ambitioniert in Angriff nähmen, sagte sie gegenüber "Format". Die EZB werde vom Ziel, Preisstabilität zu erhalten, nicht abrücken. Dies sei der beste Beitrag, um das Vertrauen in den Euro zu stärken. Es sei undenkbar, dass die EZB ein höheres Inflationsziel als die Marke von knapp zwei Prozent akzeptiere.

Den vergangenes Wochenende gespannten Rettungsschirm für den Euro verteidigte Tumpel-Gugerell als notwendig. "Wir wollten verhindern, dass die Finanzmarktturbulenzen wieder Ausmaße wie jene vom Herbst 2008 annehmen", sagte sie dem Magazin. Es wäre auch der völlig falsche Schritt gewesen, das griechische Bankensystem von der Refinanzierung abzuschneiden.

Sarkozy soll mit Austritt gedroht haben

Wie die spanische Zeitung "El Pais" unterdessen berichtet, soll Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy beim Ringen um das Rettungspaket am vergangenen Wochenende in Brüssel gegenüber Deutschland mit einem Austritt aus der Euro-Zone gedroht haben. Der Bericht basiert auf Aussagen, die Spaniens Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero bei einem Treffen mit Parteifreunden gemacht haben soll. Am Schluss der Euro-Ministerrunde habe Sarkozy "mit der Faust auf den Tisch geschlagen" und gedroht, sich aus dem Euro zurückzuziehen. Das habe die deutsche Kanzlerin Angela Merkel "zum Einlenken gebracht." Eine Sprecherin der deutschen Bundesregierung erklärte, der Artikel entbehre jeder Grundlage, ein "solcher Satz ist nicht gefallen." (APA/Reuters/apn/red)