Luzern - Biologische Grundstoffe halten immer mehr Einzug in die Schönheitsbranche. Die Hersteller reagieren damit auf die Forderung der Kunden, Produkte mit geringem Allergierisiko bereitzustellen. Andererseits gibt es ein Wettrennen um den noch unergründeten Pool, den die Natur an Wirkstoffen bietet. Das erklärt Judith Huber, Inhaberin der Schweizer Kosmetiklinie de Clars , die seit Herbst 2009 mit Anti-Aging-Produkten erfolgreich auf dem Markt aktiv ist. Die Expertin schildert, wie die Kosmetikindustrie mit dem Dilemma zwischen Anspruch und Wirklichkeit umgeht.

Kunden kaufen Träume

Veränderungen im Angebot der Schönheitsprodukte waren stets eng mit dem Fortschritt der Hautforschung verbunden. Sobald neue Faktoren bekannt wurden, die die Hautalterung positiv oder negativ beeinflussen - seien es Feuchtigkeit, freie Radikale, Vitamine, Prozesse rund um die Teilung und Lebensdauer der Zelle oder Transportmechanismen - reagierte die Kosmetikindustrie. "Das Ergebnis heute ist, dass Laien angesichts der Produkt- und Wirkungsfülle kaum mehr erkennen können, was nun wirklich wichtig ist", berichtet Huber.

Keine Creme kommt laut der Expertin der faltenstraffenden Wirkung von Botulinumtoxin gleich, das als Nervengift jedoch Muskelschwäche bis hin zu Schluck- und Sprachstörungen auslösen kann. Weckt ein Produkt, das auf natürliche Wirkungen baut, allerdings nicht ausreichend Hoffnungen beim Kunden, geht es kaum jemals über den Ladentisch. "Die Folge ist, dass der Konsument bei Schönheitsprodukten immer für seine Träume bezahlt", so die de Clars-Chefin. Ganz aus der Luft gegriffen sind die Versprechungen von Schönheitsprodukten meist nicht: "Sie können durchaus Verbesserungen von bis zu 30 Prozent erzielen", ist Huber überzeugt.

Pflanzliche Liebesspiel-Hormone

Angesichts des steigenden Konkurrenzkampfes ist es für Kosmetiklinien immer wichtiger, sich von Mitbewerbern hervorzuheben. "Das ist eine Herausforderung, eignen sich doch die bekannten Vorher-Nachher-Fotos kaum mehr, da heute jeder die Manipulierbarkeit digitaler Bilder kennt. Immer wichtiger für die Kaufentscheidung wird daher ein wissenschaftlicher Nachweis der Wirksamkeit sowie auch Empfehlungen durch Freunde und Bekannte", schätzt Huber.

Einen entscheidenden Marktvorteil können zudem Inhaltsstoffe eines Produktes liefern. Schon heute suchen Hersteller fieberhaft nach neuen Ideen - und werden dabei oft in der Natur fündig. "Immer mehr Menschen reagieren mit Allergien auf die vielen Chemikalien, die in Kosmetika üblicherweise enthalten sind. Problematisch bei Naturkosmetik ist, dass diese auf Konservierungsstoffe angewiesen ist, um haltbar zu bleiben. Doch neben der Natur finden auch Hightech-Entwicklungen bei den Konsumenten hohe Akzeptanz", so Huber.

Alterung heißt Machtverlust

Traditionell sind Frauen ab 40 die wichtigsten Kunden von Schönheitsprodukten. "In diesem Alter nimmt das Östrogen ab, was Spuren auf der Haut hinterlässt. In Osteuropa steigt allerdings die Zahl derer, die schon als Studentinnen Anti-Aging-Produkte verwenden." Das sei verständlich, so Huber, seien doch Jugend und Attraktivität die wichtigsten weiblichen Machtfaktoren. Zunehmend zeigen auch Männer Interesse. Das Geschäft mit ihnen macht bereits 30 Prozent des Umsatzes aus, trotz feminin betonter Werbung.

Die Ansprüche der Konsumenten sind weltweit sehr unterschiedlich, was Huber auf kulturell bedingte Einstellungen zur Schönheit zurückführt. "In Asien boomen aufhellende Cremes, während man in Europa den gebräunten Teint oder natürliches Aussehen sucht. 92 Prozent der Asiaten würden nie eine Schönheits-OP machen, in der Schweiz 60 Prozent, in Russland bloß 15 Prozent. Das Land, in dem prozentuell die meisten Brustoperationen durchgeführt werden, ist Ungarn."

Faltenthema hat Ablaufdatum

Nach Ansicht der Schönheits-Expertin wird man sich in Zukunft von rein künstlichen Maßnahmen wie Silikon-Implantaten oder Botox-Spritzen verabschieden. "Bei der Hollywood-Elite erkennt man bereits, dass Naturkosmetik im Trend ist." Denkbar ist sogar das Abkommen vom faltenfreien Ideal im Alter. "Schön langsam wird man sich bewusst, dass Faltenfreiheit auch den Verlust der Mimik bedeutet und das Gesicht einer Maske gleichen lässt. Frau und Mann werden in Zukunft wahrscheinlich wieder Falten tragen, zugleich jedoch mehr Wert auf strahlende Schönheit und Gepflegtheit legen." (pte)