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Wer jetzt schon auf den 3D-Zug aufspringt, riskiert eine holprige, wenngleich spannende Fahrt.

Foto: REUTERS/Steve Marcus

Mit einer Revolution ist es wie mit einem Wirbelsturm: Oft merkt die Masse den Umschwung erst, wenn er schon geschehen ist. Wer heute meint, dass dreidimensionales Fernsehen sich eines Tages nicht durchsetzen wird, läuft Gefahr wie einst Stummfilm-Verfechter in der Versenkung zu verschwinden. Auf der anderen Seite wäre es voreilig zu sagen, dass 2010, mit dem Start der ersten massentauglichen 3D-TV-Geräte, die Sache schon gegessen ist.

Was darf sich der mehrdimensionale Cineast eigentlich erwarten, wenn er am kommenden Weihnachtsabend seinen 3D-Blu-ray-Player an seinen 3D-Fernseher ansteckt und sich mit seiner 3D-Brille seine erste 3D-Blu-ray reinzieht? Nun, so viel steht schon einmal fest: Entweder macht man sich selbst gerne große Geschenke oder man weiß einen sehr generösen Lebensabschnittspartner an seiner Seite zu haben. Denn alle diese Trümmer werden für den Sprung in die nächste TV-Generation benötigt. Doch lohnt das Upgrade schon heute?

Watching on the edge

Als Early Adopter muss man wohl damit leben, dass man am Gipfel des Gagdet-Berges immer zu auch am nähesten zum Abgrund steht. Nach wiederholten Testvorführungen über die vergangenen fünf Monate hat sich ein Eindruck in jedem Fall ganz klar bestätigt: Was Sony, Samsung, LG, Panasonic und Konsorten da in den Folgemonaten auf den Markt bringen, hat schon seinen Reiz. Wie eine Art Technologie-Showcase bewundert man räumlich dargestellte Welten. Bestaunt Eisbären oder Kolibris bei ihrem Treiben, wie beim Blick durch das Schaufenster im Tiergarten. Dieser anfängliche Reiz verfliegt jedoch recht schnell und man gewöhnt sich an das, was eigentlich ganz natürlich ist - stereoskopisches, dreidimensionales Sehen. Hat man diesen Punkt erreicht, findet man Gefallen an der nur noch dezent wahrgenommenen, neu gewonnen Natürlichkeit des Hauptabendprogramms. Gleichzeitig rücken aber plötzlich viele kleine Details in den Fokus, die schlussendlich darüber entscheiden, ob man heuer bereits zu den risikofreudigen Gipfelstürmern zählen möchte oder nicht.

Preisfrage

Generell zu klären gilt vor jeder Anschaffung die Preisfrage. Wie Eingangs erwähnt ist 3D kein ganz billiges Unterfangen. 3D-Fernseher in den kleinst verfügbaren Größen von 42 bis 46 Zoll starten bei knapp 2.000 Euro und liegen damit deutlich über dem Schnitt, den man aktuell für vergleichbare 2D-Flat-TVs zahlt. Im Top-Segment werden entsprechende 3D-Brillen beigelegt, zusätzliche Gläser rangieren im Bereich von 50 bis 200 Euro. Als einzige Quelle dient zunächst noch ein 3D-tauglicher Blu-ray-Player. Hier sei aber gesagt, dass sich manche bestehenden Modelle per Software auf den neuesten Stand bringen lassen. Bestes Beispiel hierfür ist die Spielkonsole PlayStation 3, die im Sommer ein kostenloses Update für 3D-Games und -Filme erhält.

Zu viele Brillen, um sie zu knechten

Das tatsächliche Schlamassel wurzelt, wie man den üblichen Preisverfall so kennt, nur Anfangs in den Anschaffungskosten. Die Industrie hat sich bekannter Maßen auf ein bestimmtes Verfahren geeinigt hat, um 3D-Sehen zu ermöglichen. Bereits in allen Einzelheiten erklärt, wird eine akkubetriebene Active-Shutter-Brille benötigt, die dafür sorgt, dass jedes Auge abwechselnd (30 Mal pro Sekunde) mit Bildern versorgt wird, um den 3D-Effekt zu erzielen. Ein moderner Fernseher, der die Bilder passend aufbereiten kann, ist ebenfalls Voraussetzung und übrigens auch der Grund dafür, weshalb man seinen kaum gealterten Flatscreen nicht einfach weiterverwenden kann. Die im Feld getesteten Brillen könnten zwar alle etwas leichter sein, bieten aber selbst zusätzlich zu optischen Gläsern einen guten Tragekomfort. Wirklich ärgerlich am propagierten 3D-Standard ist, dass trotz gleicher Technologien die Hersteller keine Kompatibilität unter einander gewährleisten. Dass bedeutet, dass Freunde bei Videoabenden ihre 50 bis 200 Euro teuren Brillen getrost zuhause lassen können, sofern sie nicht Modelle derselben Marke ihr Eigen nennen. Wer also zu viert 3D-Glotzen möchte, braucht auch vier passende Brillen. Zynisch formuliert ist das, als ob jeder PC eine spezielle Tastatur benötigen würde.

Technisch gemischte Gefühle

Sieht man über diese scheinbar künstlich erzeugten Hürden hinweg, ist der wichtigste Faktor das Seherlebnis. Und hier kann man nicht deutlich genug betonen, dass die 3D-Qualität durch die Technik selbst, aber auch die Inhalte bestimmt wird. Der Blick durch die Brille setzt voraus, dass man nur horizontal zum Bild fernsehen kann. Will man sich beim 3D-Genuss aufs Ohr hauen oder nur seinen Kopf aus andersartigen Gründen um 45 Grad neigen, sieht man nur noch Doppelbilder. Diese Einschränkung ist in der Praxis tatsächlich verkraftbar, da man einen 3D-Film oder -Spiel so und so nur ganz bewusst konsumieren sollte. Ähnlich wie im Kino ist das ein Erlebnis, das man konzentriert ein paar Stunden und lieber nicht den ganzen Tag zur Berieselung genießen sollte. Fast störender ist die ebenfalls Brillen-bedingte Abdunkelung. Die Bemühungen der Forscher immer sattere Farben und stärkere Kontraste bei modernen LCD-Panelen zu erzeugen, werden dadurch mit einem Schlag zu Nichte gemacht. Um das Maximum an Darstellungsqualität herauszukitzeln, werden 3D-Inhlate daher am besten nur im Dunkeln bestaunt.

Eine andere Möglichkeit Inhalte dreidimensional zusehen, als spezielle Filme zu kaufen, ist die 2D/3D-Konvertierungsfunktion einiger 3D-Fernseher. Sowohl Samsung als auch Sony bieten dies an. Das Ergebnis variiert jedoch stark von Szene zu Szene. Ein Computer-Chip errechnet dabei automatisch, was sich im Vordergrund und was sich im Hintergrund befindet und generiert basierend darauf einen Tiefeneffekt. Während dies bei stillen Szenen zwar begrenzt aber recht gut klappt, profitieren beispielsweise Sportübertragungen kaum davon.

Noch wenige gute Inhalte

Ebenso entscheidend ist die technische Qualität der Inhalte selbst. Während manche 3D-Blu-ray-Filme im besten Sinne des Wortes geradezu glänzen, merkt man bei anderen wiederum, dass die Aufnahmen nicht immer hundertprozentig auf den Sehfluss abgestimmt wurden. Die durch die stereoskopische Aufnahme erzeugte Tiefenunschärfe bedingt, dass man mehr denn je dem Auge des Regisseurs folgen muss. Werden nur Details fokussiert, kann es passieren, dass man sich im matschigen Hintergrund, beim verzweifelten Versuch selbst scharf zu stellen, verliert. Bei neueren Kinofilmen kommt es allerdings seltener zu derartigen Problemen. Besonders angenehm und befriedigend ist das 3D-Erlebnis bei ruhigen Aufnahmen bei Dokumentationen. Serien wie "Universum" oder IMAX-Produktionen dürften in Zukunft große Profiteure der Technologie sein. Und da setzt auch der Haken an. Bis Ende 2010 werden lediglich ein Hand voll 3D-Blu-rays erwartet. Selbst das Megaspektakel Avatar erscheint erst Anfang 2011 als dreidimensionale Fassung für zuhause. Immerhin packen die meisten Fernseher-Hersteller ihren Geräten Sampler und Filme bei.

Ein größeres Zugpferd für 3d@Home könnten in den ersten Jahren, wie so oft für neue Formate, Videospiele sein. Bereits erschienen sind das Spiel zum Film Avatar, sowie etwaige Download-Titel, die aber allesamt noch nicht wirklich überzeugen konnten. Am viel versprechendsten mag hierbei vermutlich Sonys Vorstoß in Richtung 3D-Games sein. Im Paket mit PlayStation 3 und einen neuen 3D-Fernseher erhalten Kunden ein Bündel an 3D-Spielen und -Demos. Die dritte Dimension macht bei Spielen nicht nur optisch Spaß, sondern ermöglicht zumindest theoretisch auch spielerisch neue Möglichkeiten. Bei Rennsimulationen lässt sich etwa der Bremspunkt besser erkennen und man kann Dimensionen genauer abschätzen. Als großes Manko der vorab getesteten 3D-Games "WipeOut HD", "MotorStorm" und "Super Stardust" stellte sich indes die durch den benötigten Mehraufwand zur Darstellung von 3D stark heruntergeschraubte Grafik heraus. Um die beim stereoskopischen 3D-Sehen vorausgesetzte höhere Framerate (30 Bilder pro Sekunde pro Auge) erzeugen zu können, müssen zurzeit noch Auflösung und Details heruntergeschraubt werden. Sony erklärt das auch damit, dass jetzige Spiele nur im Nachhinein auf 3D konvertiert wurden, bei dezidierten 3D-Spielen könne man die Inhalte von Vornherein darauf optimieren. Auf der im Juni stattfindenden Messe E3 werden vermutlich nähere Details enthüllt.

Rosigere Zukunft

Trotz des eher verhaltenen ersten Resümees birgt der Blick in die Zukunft sehr hoffnungsvolle Aussichten. Zum einen ist die professionelle Produktion von 3D-Inhalten wie der Fifa WM 2010 in Südafrika, Filmen, Spielen oder diversen Konzerten bereits angelaufen. Andererseits zeugen erste 3D-Camcorder und 3D-Kameras für mobile Endgeräte davon, dass die dritte Dimension schleichend die Haushalte erobern dürfte. 2010 wird es aber noch nicht so weit sein. Und geht man nach den Prognosen der Branchenanalysten wird möglicherweise erst in fünf Jahren eine kritische Masse erreicht worden sein. Aber durch den Druck der Industrie, neue Anreize bieten zu wollen, und allein durch den Umstand, dass künftig jeder neue Fernseher genau wie jetzt schon WiFi eine 3D-Funktion zu seinem Standard-Repertoire zählen wird, wird man über kurz oder lang keine andere Wahl haben, als in die dritte Dimension abzutauchen. Wer jetzt schon auf den Zug aufspringt, riskiert allerdings eine sehr holprige, wenngleich spannende Fahrt. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 13.5.2010)