Daniel Kiener fertigt Abbilder der Oberfläche.

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Um das Verhalten von Materialien zuverlässig einsetzen zu können, müssen ihre mechanischen Eigenschaften restlos verstanden werden - am besten bis zum atomaren Aufbau eines Bauteils. Das ist auch die Aufgabe von Daniel Kiener vom Erich-Schmidt-Institut (ESI) für Materialwissenschaft der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der die grundlegenden Mechanismen der Verformung in winzigen Dimensionen untersucht.

Diskrete elementare Verformungen werden experimentell nur dann sichtbar, wenn die Probe klein genug ist. Das macht schon ihre Herstellung zur ersten Hürde. Kieners Spezialität sind Zugversuche mit einer Wegdistanz von wenigen Nanometern (Milliardstelmetern) und Kräften von wenigen Mikronewton (entspricht Gewichten in Millionstelgramm). "Vieles ist unklar, was Materialien im Mikro- und Nanomaßstab betrifft", erläutert der 32-jährige Gmundner, der 2010 den Josef-Krainer-Förderungspreis zugesprochen bekam.

Der Werkstoffwissenschafter beschäftigte sich mit Kupfer, das als Modell für eine ganze Klasse von Metallen wie rostfreien Stahl, Gold, Silber, Nickel, Platin oder Aluminium steht und häufig verwendet wird. Die Zugversuche beobachtet der Montan-Uni-Leoben-Absolvent mithilfe von Elektronenmikroskopen verschiedenen Typs. Die Geräte unterscheiden sich in der Art der Bildentstehung, der Auflösung und nicht zuletzt im Anschaffungspreis.

Mit dem Rasterelektronenmikroskop (REM) und dem Ionenmikroskop (Focussed Ion Beam, FIB) fertigt Daniel Kiener Abbilder der Oberfläche an. Mit dem Transmissionselektronenmikroskop (TEM) durchleuchtet er die hauchdünnen Proben. Die hohe Auflösung des TEM ermöglicht sogar die Betrachtung einzelner Atome bzw. Atomsäulen. Alle benötigten Geräte sind am ESI vorhanden, darunter das einzige abberationskorrigierte, also optische Verzerrungen ausgleichende TEM Österreichs, welches die Akademie gemeinsam mit der Montan-Uni Leoben betreibt.

An der HTL für Wirtschaftsingenieurwesen legte Kiener das Fundament für seine breite Ausbildung, wiewohl Werkstoffwissenschaft damals noch nicht sein Lieblingsfach war. Am Studium in Leoben schätzte er besonders die starke Anwendungsorientierung. Seine Spezialisierungen eignete er sich stets mit der jeweiligen Aufgabe an. Auch ein fachlicher Wechsel sei unproblematisch, da erlernte Methoden immer wieder angewendet und vertieft werden können.

Mit einem Schrödinger-Stipendium des Fonds zur wissenschaftlichen Förderung (FWF) vertiefte er 2009 am Lawrence Berkeley National Laboratory seine Kenntnisse jener Materie, die er nun in Österreich aufbauen will. Nebenbei investierte er in Soft Skills, von deren Nutzen er bei der internationalen Zusammenarbeit verschiedener Kulturen überzeugt ist. "Für den Erfolg ist Kommunikation unumgänglich. Neue Ergebnisse präsentiert und diskutiert man gewöhnlich auf internationaler Bühne vor Fachkollegen. Die schärfsten Kritiker könnten Gutachter des nächsten Projektantrags sein", weiß Kiener. Dasselbe ist für Wissenschaftskommunikation mit der Öffentlichkeit gültig.

Abseits von Labor und Mikroskopen macht er eigene Zugversuche beim Sportklettern - wofür er im Leobener Einzugsgebiet ein reiches Betätigungsfeld findet. (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Printausgabe, 12.05.2010)