Mutter und Tochter: Rory (links) und Lorelai Gilmore. Die US-Serie "Gilmore Girls" ging in den USA im Jahr 2000 an den Start.

Foto: M & © 2007 Warner Bros. Entertainment

Die "Gilmore Girls" (2000 - 2007) laufen auf ORF 1 (14:55 Uhr) und auf VOX (15:05 Uhr) seit 2003 beinahe in Dauerschleife. Der Plot: Die alleinerziehende Lorelai (Lauren Graham) und ihre Tochter Rory (Alexis Bledel) pflegen ein enges, freundschaftliches Verhältnis, leben in der pittoresken Kleinstadt Stars Hollow, die eine Art Utopia ist. Die Stadt ist immer nach Jahreszeit passend dekoriert, alle kennen sich, es wird zwar gestritten - letztendlich fühlt sich aber jedeR für das Gemeinwohl verantwortlich und latscht regelmäßig zur Stadtversammlung um sich etwa an einem liebevoll gestalteten Stadtfest zu beteiligen. Rory ist eine herausragende Schülerin, sie liest ständig, weiß über das tagespolitische Geschehen Bescheid und statt Filmstars oder Models verehrt sie - wie auch ihre Mitschülerin und spätere Studienkollegin Paris - Betty Friedan oder Noam Chomsky. Nicht zuletzt wegen dieser Anwandlungen muss Lorelai ihre tiefe Abneigung gegen ihre Upper Class-Familie überwinden, aus der sie als 16-Jährige mit der wenige Monate alten Rory geflüchtet ist um sich ihre Sporen selbst als Zimmermädchen zu verdienen. So entfloh Lorelai nicht nur einer Hochzeit mit dem Kindsvater, sondern wahrscheinlich auch einer Mitgliedschaft bei den "Daughters of the American Revolution" oder was ihre Mutter Emily sonst noch für sie vorgesehen hätte.

Ab in den Salon

Lorelais Tochter soll in eine Privatschule, wie so oft hört sich auch hier die Abneigung gegen Elitenbildungen bei der Ausbildung des eigenen Nachwuchses auf. Lorelais reiche Eltern sollen fortan das teure Schulgeld bezahlen, als Gegenzug haben Rory und Lorelai regelmäßig im Salon anzutanzen. Drei Frauengenerationen treffen also aufeinander, mit all ihren unterschiedlichen Vorstellungen und Lebensweisen: Emily Gilmore ist hauptberuflich Ehefrau, veranstaltet Charity Partys und macht ihre Dienstbotinnen zur Schnecke. Lorelai hat selbst als solche gearbeitet und zog es als 16-Jährige vor, diese Arbeit zu machen als weiterhin unter der Fuchtel ihrer rechtskonservativen Eltern zu stehen. Und so wuchs Rory zwar mit wenig Geld, aber mit der bedingungslosen Unterstützung ihrer Mutter auf. Männer tauchen bei den "Gilmore Girls" zwar auf, verschwinden aber im Gegensatz zu den beständigen Freundschaften (etwa Rorys Freundschaft zu Musik-Nerd Lane Kim) wieder, oder sie sind wie der Cafébesitzer Luke Danes dafür zuständig, Rory und Lorelai ein ausgiebiges Frühstück zu bereiten und den Kaffeenachschub sicherzustellen. So kann auch das eindrücklichste Merkmal der Serie gewährleistet werden: Es wird wahnsinnig viel und schnell geredet, Schlagfertigkeit ist das oberstes Gebot.

"Rosanne"-Produzentin Amy Sherman-Palladino

Mit Schlagfertigkeit stattete Amy Sherman-Palladino, Produzentin und Erfinderin der Serie, schon die Serienheldin "Rosanne" aus. Auch die Inszenierung unterschiedlicher sozialer Schichten und die daraus resultierende politische Haltung und Lebensweise kontextualisiert - wie auch schon in "Rosanne" - die Erfahrungen der "Gilmore Girls". Besonders interessant ist diesbezüglich die Rolle von Rory: Während sich Lorelai von dem Materialismus und reaktionären Ideen, wie frau zu leben hat, freikämpfen musste und sich den gewonnen Freiraum auch stolz bewahrt, liebäugelt Rory das eine oder andere Mal mit diesen Dingen. Sie ist durch die Schule und später dann im Studium in Yale von Leuten umgeben, die in ihrer Zukunftsplanung ökonomische Komponenten nicht berücksichtigen müssen und verliebt sich sogar in einen dieser Erben, die es sich mit dem Geld und dem Namen der Familie richten können. Politisch ist Rory zwar sehr interessiert, irgendwie traut man ihr aber doch kein echtes Engagement für eine Sache zu, das ihr vielleicht Sympathien kosten könnte. Die wahre Heldin der Serie ist aber sowieso Lorelai, die auch die meisten feministischen Implikationen liefert. Sie lässt sich nicht von irgendwelchen Vorstellungen beirren, wie sie sich als Mutter oder Frau verhalten soll und führt ein selbstbestimmtes Leben, aber ohne sich an diesem Anspruch abzurackern. So werden manche Aufgaben einfach ausgelagert, wie schon gesagt, der mürrische Lokalbesitzer Luke ist etwa für das leibliche Wohl von Mutter und Tochter zuständig. Auch dem Kind "vernünftige" Ernährung beizubringen, liegt Lorelai fern, die beiden essen alles was fett, süß und gut ist - natürlich bleibt aber die Figur der beiden TV-konform in Form.

Sehr unterhaltsam sind die unzähligen Film- und Musikreferenzen, die in der Serie runter gerasselt werden. Dabei lassen die "Gilmore Girls" kontinuierliche Verweise auf Klassiker und Raritäten der Popkultur nicht aus - so zum Beispiel auf die sozialkritische Teenie-Romanze mit feministischem Mehrwert aus den 80ern "Pretty in Pink". Kurzum: "Gilmore Girls" ist eine hervorragende, vielschichtige Serie, die im Fernsehen ruhig noch ein paar Extra-Runden mehr drehen kann. (Beate Hausbichler, dieStandard.at , 12.5.2010)