Round Rainbow, Eliassons variable Stahl-Aluminium-Installation samt Lapme aus dem Jahr 2005.

Foto: Eliasson

Zwanzig Jahre nach der Wende ist der Alexanderplatz, einer der berühmtesten Plätze Berlins, immer noch eine Baustelle. Und auf solchen Baustellen liegt immer eine Menge herum: Gebinde, Geräte, Gerümpel. Der Künstler Olafur Eliasson hat sich neulich von diesem Durcheinander inspirieren lassen und einen Baumstamm auf dieser Baustelle abgelegt. Der fiel eine Weile nicht weiter auf, bis sich irgendwann herumgesprochen hatte, welche Bewandtnis es mit diesem Stück Holz hatte.

Es handelte sich dabei nämlich um Treibholz, das aus Russland über das Polarmeer nach Island gelangt war, wo Eliasson (geboren in Dänemark, aber aus Island stammend) sie einsammelte und nach Deutschland verschiffen ließ (auf der Fahrt gingen sie beinahe verloren, nicht jeder Container findet verlässlich sein Ziel).

Die Baumstämme, die schon seit einigen Wochen im Stadtbild von Berlin zu finden waren, bildeten eine Art Vorspiel zu der großen Ausstellung Innen Stadt Außen, mit der Eliasson, der seit vielen Jahren in Berlin lebt und hier auch ein (personal)aufwändiges Studio betreibt, zum ersten Mal eine eigene Schau in seiner Wahlheimat hat.

Spektakuläre Formate

Das will etwas heißen, und verwundert andererseits auch nicht, wenn man auch nur ein wenig um die Stationen weiß, an denen dieser stark nachgefragte Künstler in den letzten Jahren aktiv war: Das Weather Project in der Londoner Tate Modern ist vielleicht das berühmteste dieser immer für den jeweiligen Ort geschaffenen Kulturwunder - eine künstliche Sonne, in deren fahlem Glanz sich die Besucher fühlen konnten wie die Bewohner eines fernen Planeten, die auf einen uns fremden Fixstern schauen.

In Berlin gibt es eine Arbeit zu sehen, die in Ansätzen das spektakuläre Format von The Weather Project hat. Olafur Eliasson hat ein Mikroskop in den Lichthof des Martin-Gropius-Baus gestellt. Man kann durch zwei schmale Eingänge in diese Spiegelinstallation hineintreten und erlebt im Inneren einen überwältigenden Effekt: Der eben noch dunkle Museumsbauch öffnet sich durch die Spiegel, die auf das seinerseits verspiegelte und wie ein Spinnennetz gestaltete Glasdach gerichtet sind, in eine abgründige Unendlichkeit.

Man steht wie auf einem Plateau im Nichts und schaudert fast ein wenig angesichts der stillen Explosion eines unmöglichen Raums. In seinem Zentrum hat die ganze, weit in den Stadtraum hinein ausgreifende Ausstellung von Eliasson tatsächlich ihre konzeptuelle Mitte.

Spiegel spielen insgesamt eine zentrale Rolle, manchmal nur ganz diskret, wenn der Blick aus einem der Fenster des Gropius-Baus einen selbst beim Blick aus dem Fenster des Gropius-Baus zeigt; manchmal fast im Stadtraum verschwindend wie am Kottbusser Tor, einem der sozialen Brennpunkte von Berlin.

Blinder Fleck

Auf der Pfaueninsel, einem vom harten Winter immer noch ziemlich ramponierten Locus amoenus der preußischen Hochkultur, hat Eliasson seinen "blinden" Pavillon aufgestellt. Er war erstmals 2003 auf Island zu sehen und macht die komplexen Berechnungen anschaulich, auf denen diese Arbeiten immer wieder beruhen: Nur von einem bestimmten Beobachtungspunkt aus fallen die beiden "Wände" dieses Pavillons so zusammen, dass sie einen homogenen Raum abgrenzen und die Schaulust derer, die sich in schönen Parklandschaften an arrangierter Natur ergötzen wollen, ins Dunkel stürzen lassen.

Der Blind Pavilion, die aufwändige Inszenierung eines blinden Flecks der neuzeitlichen Landschaftsarchitektur, hat Entsprechungen im Gropius-Bau selbst. Hier hat Eliasson die beiden Zugänge zum Ausstellungsparcours mit komplementären Strategien bespielt. Wer am einen Ende hineingeht, gerät in Your Blind Movement: drei Räume mit fast undurchdringlichen Farbnebeln, in denen man sich blind fühlt, weil man zu viel sieht. (Die Arbeit ist auch als Radikalisierung des Room for One Colour zu sehen, den Eliasson im Jahr 2000 in Graz in einer großen Ausstellung einrichtete.) Wer am anderen Ende hineingeht, wird nicht sofort sehen, wo die Kunst ist.

Der Berliner Bürgersteig besteht aus sehr alten Granitplatten und stellt tatsächlich das dar, was im Titel der Arbeit ausgesagt ist: einen Bürgersteig, der durch mehrere Museumsräume in eine Ausstellung führt, in der es mit einem Rundgang nicht getan ist.

Innen Stadt Außen zeigt, dass Olafur Eliasson im letzten Jahrzehnt, in dem er gigantisch erfolgreich war, eine erstaunliche Fähigkeit bewahrt hat, sich auf einen Ort zu beziehen und ihn in den Makrokosmos seiner Sehens- und Begreifenswürdigkeiten hineinzuspiegeln. (Bert Rebhandl aus Berlin, DER STANDARD/Printausgabe, 11.05.2010)