Rom - Der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi ist über die am Donnerstagabend stattfindende Vorführung des italienischen Dokumentarfilms "Draquila - Italien zittert" beim Filmfestival in Cannes verärgert.

Die italienische Schauspielerin und Regisseurin Sabina Guzzanti ahmt in ihrem Film den Ministerpräsidenten nach, der den Wiederaufbau nach dem Erdbeben in L'Aquila zur Chefsache erklärt hatte. Ähnlich wie der US-Regisseur Michael Moore nutzt Guzzanti das Mittel des Dokumentarfilms, um das Krisenmanagement der italienischen Regierung nach dem Beben zu kritisieren.

"Ich bin kein Diktator. Es genügt zu sehen, wie man mich im Fernsehen darstellt. Dort gibt es nur Angriffe gegen die Regierung und den Premierminister", wurde Berlusconi von italienischen Medien am Donnerstag zitiert. Dabei würden die Attacken gegen ihn nur das Ansehen Italiens im Ausland schaden, sagte er.

Der Film, der in Cannes außerhalb des Wettbewerbs gezeigt wird, wurde mehrfach vom italienischen Kulturminister Sandro Bondi kritisiert, der aus Protest gegen den Streifen die Filmfestspiele von Cannes boykottiert: "Dieser Film ist ein Propagandawerk, das die Leiden der Bürger in L'Aquila zum politischen Kampf instrumentalisiert. Ich bin frei, nicht nach Cannes zu fahren, um einen Streifen zu würdigen, dessen einziger künstlerischer Wert die Tatsache ist, dass er Italien und die Italiener verspottet", schrieb der Kulturminister in einem offenen Brief für die rechte Tageszeitung "Il Giornale" am Donnerstag.

"Es gibt italienische Filme von Qualität, die mit Talent die Gefühle und Widersprüche unseres Landes darstellen. Es gibt aber Filme, die nur Wut, Zynismus und die Arroganz der Ideologie ausdrücken", kritisierte Bondi. Der Kulturminister ist nicht das einzige Regierungsmitglied, das sich über den Dokumentarfilm empört zeigt. Tourismusministerin Michela Brambilla drohte der Autorin des Films mit einer Klage wegen der Schäden, die der Streifen dem Ansehen Italiens zufügen könne. "Schluss mit Verleumdungskampagnen gegen Italien", so die Ministerin.

"Wir begreifen nicht, warum die Regierung über diesen Film so besorgt ist. Offenkundig hat Guzzanti in die offene Wunde gegriffen", erwiderte der Oppositionspolitiker Beppe Giulietti. "Das alles trägt dazu bei, dass Italien immer tiefer im Ranking der Länder mit der größten Meinungsfreiheit sinkt", betonte Giulietti.

Die Regisseurin Guzzanti bezeichnet den Film als Reflexion über die autoritäre Entwicklung in Italien. In dem Dokumentarfilm geht es um Korruption beim Wiederaufbau in der Abruzzen-Hauptstadt L'Aquila nach dem Erdbeben im vergangenen Jahr. Das Werk basiert auf jüngsten Justizermittlungen, die unter anderem Italiens Zivilschutzchef Guido Bertolaso, einen Vertrauten von Ministerpräsident Silvio Berlusconi, und mehrere prominente Politiker der Partei des Regierungschefs belasten. Bei dem Beben mit der Stärke 6,3 waren am 6. April vergangenen Jahres 308 Menschen ums Leben gekommen, 120.000 Bewohner von L'Aquila und den umliegenden Dörfern verloren ihr Dach über dem Kopf.

Guzzanti ist durch ihre Persiflagen von Regierungschef Berlusconi zum Star geworden. Die Verwandlungskünstlerin schlüpft in ihren Shows meist in die Rolle Berlusconis, hin und wieder mimt sie auch dessen Rivalen. Wegen ihrer langen Anti-Berlusconi-Monologe im Fernsehen war sie auch von der TV-Gruppe Mediaset, die sich im Besitz des Premierministers befindet, wegen Diffamierung angezeigt worden. 2006 hatte Guzzanti den Dokumentarfilm "Viva Zapatero!" über Medien-Zensur im Italien unter Berlusconi gedreht.(APA)