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Anteil der Schulkinder mit Behinderung in Integrationsklassen und Sonderschulen nach Bundesländern und Österreich gesamt in Prozent (April 2010)

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Ahmetcan K. besucht die 4. Klasse einer Volksschule im 16. Bezirk. Seine Eltern werden bei Sprechtagen in der Schule darüber informiert, dass ihr Kind ein "schwacher Schüler" sei. Von "sonderpädagogischem Förderbedarf" ist nie die Rede. Im Jänner 2010 werden die Eltern zu einem Gespräch in die Schule gebeten. Ein folgt ein Treffen mit dem Bezirksschulinspektor, der Schuldirektorin, der Klassenlehrerin und VertreterInnen eines sonderpädagogischen Zentrums. Hier wird den Eltern dargelegt, dass ihr Sohn einen "sonderpädagogischen Förderbedarf" habe. Ihr Kind solle durch ein paar zusätzliche Stunden eine "besondere Förderung" bekommen, da es im Unterricht Unterstützung benötigen würde. Sonst würde alles so bleiben wie bisher. Das Wort "Sonderschule" fällt im ganzen Gespräch kein einziges Mal. Die Eltern wissen nicht, dass sie mit ihrer Unterschrift ihr Einverständnis zur Überstellung ihres Sohnes in eine Sonderschulklasse geben.

Ohne Begründung in die Sonderschule

Am 25. Jänner 2010 erhält Familie K. einen Brief des zuständigen Bezirksschulinspektors Walter Maitz, der sie über den sonderpädagogischen Förderbedarf ihres Sohnes Ahmetcan informiert. Eine Begründung wird nicht mitgeliefert. Ahmetcan muss fortan in die Sonderschule. Die Familie ist verzweifelt, muss sie doch den Verfall des Sohnes mit ansehen. Ist dieser früher noch gerne in die Schule gegangen, versucht er sich jetzt vor dem Schulbesuch zu drücken und geht in der Früh nur noch widerwillig außer Haus. Die Eltern beschließen, gegen den Bescheid des Stadtschulrates vorzugehen und geben ein schulpsychologisches Gutachten in Auftrag. Dieses stellt fest, dass bei Ahmtecan kein sonderpädagogischer Förderbedarf gegeben ist, ihm jedoch zusätzlicher Sprachförderunterricht in Deutsch anzubieten sei. Der Stadtschulrat nimmt daraufhin den Bescheid, wonach Ahmetcan die Sonderschule besuchen muss, wieder zurück.

"Völlig unzulässig"

Dieser Fall zeige "sehr schön, wie der Stadtschulrat agiert und welch unzulässigen Tricks angewandt" würden, um die Unterschriften der Eltern zu bekommen, sagt die Grüne Gemeinderätin und Wiener Landtagsabgeordnete Susanne Jerusalem. Die Vorgehensweise des Stadtschulrates im "Fall K." bezeichnet sie als "völlig unzulässig". Dass der Stadtschulrat seinen Bescheid zwischenzeitlich wieder zurückgenommen hat, sei ein "indirektes Eingeständnis dafür, dass hier ein Schüler allein aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse" zum Sonderschüler abgestempelt worden ist.

Kein Einzelfall

Dabei sehen die gesetzlichen Regelungen ganz klar vor, dass SchülerInnen "physische oder psychische Behinderungen" haben müssen, um als SonderschülerInnen eingestuft zu werden. Einen Schüler wegen mangelnder Deutschkenntnisse als Sonderschüler einzustufen, sei also "nicht gesetzeskonform", so die Grüne. Der "Fall K." ist kein Einzelfall. Susanne Jerusalem spricht von einer "handvoll anderer Fälle", die ihr bekannt und jenem von Ahmetcan K. ähneln. Die Dunkelziffer dürfte indes weitaus höher sein.

Auf halbem Weg aufgeben

Viele ähnliche Fälle kommen nämlich erst gar nicht an die Öffentlichkeit. Die Eltern der betroffenen Kinder seien mit der Situation meistens überfordert, viele würden nicht wissen, an "wen sie sich wenden können" und hätten "zu wenige Informationen", so Jerusalem. Nur sehr wenige würden sich "trauen, gegen eine derart große Institution, wie den Stadtschulrat vorzugehen", sagt die Grüne. Oft würden Eltern auf "auf halbem Weg aufgeben"; der Kampf gegen die Institutionen sei schließlich sehr zermürbend und nicht zuletzt auch eine finanzielle Frage. Deshalb sei sie bereit, "jedem einzelnen Fall nachzugehen" und auch die Kosten des "einen oder anderen schulpsychologischen Gutachtens" zu übernehmen, so sich die Eltern dieses nicht leisten können. Die "unfaire Vorgehensweise des Stadtschulrates" müsse sich schließlich "niemand gefallen lassen", sagt Jerusalem.