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Unter Hochspannung wird an einem Sicherheitsnetz für den Euro gebastelt.

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Brüssel - Nach einem dramatischen Appell der Staats- und Regierungschefs der Eurozone zur Rettung der Währungsunion soll nun ein Notfalltopf für angeschlagene Länder und den Euro aus der Taufe gehoben werden. Die EU-Finanzminister berieten Sonntagabend bis spät in die Nacht über ein Volumen von bis zu 600 Milliarden Euro, das zur Unterstützung einzelner Staaten aufgebracht werden soll.

Dabei orientiert sich die Union an einem bereits bestehenden Fonds für Zahlungsbilanzhilfe, der aber nur für Nicht-Euroländer angezapft werden kann. Die Gründung einer ähnlichen Einrichtung für Mitglieder der Währungsunion soll laut Angaben aus involvierten Kreisen dank Haftungen der Staaten Anleihen am Kapitalmarkt begeben. 60 Milliarden Euro würden direkt aus dem EU-Budget aufgebracht, hieß es.

Auslöser des Notfallplans sind die jüngsten Attacken auf die Eurozone - vergangene Woche fiel der Euro mehr als vier Prozent zum Dollar, Zinsen auf Staatsanleihen Portugals und Spaniens stiegen stark. Montagfrüh legte der Euro im asiatischen Handel wieder deutlich auf über 1,29 US-Dollar zu, gegenüber 1,2714 Dollar im späten New Yorker Handel vom Freitag. Um Mitternacht hielten die Finanz-Staatssekretäre eine Telefonkonferenz zu Entwicklungen nach der griechischen Schuldenkrise ab (siehe dazu auch Artikel).

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Man finde sich in der "kritischsten und angespanntesten Situation seit Jahrzehnten" wieder, "dies sind entscheidende Stunden für den Euro", sagte der österreichische Finanzminister Josef Pröll, als er Sonntagnachmittag in Brüssel zu einem Krisentreffen eintraf.

Gemeinsam mit seinen 26 Kollegen aus den EU-Ländern, mit der EU-Kommission und Vertretern der Europäischen Zentralbank (EZB) sollte er dort jene Notmaßnahmen beraten und beschließen, die die 16 Staats- und Regierungschefs der Eurozone Freitagnacht bei einem dramatischen EU-Gipfel in der Hauptstadt in Auftrag gegeben hatten.

Dies sei eine "schwere Belastungsprobe" für die Währungsunion" und gleichzeitig "für die Politik eine unglaubliche Bewährungsprobe", erklärte der Finanzminister. Alarmiert von rasanten Kursverlusten im Euroraum und angesichts drohender weltweiter Massenverkäufe von Staatsanleihen schuldengeplagter Eurostaaten ab heute, Montag, wenn die Märkte wieder öffnen, hatten die Eurospitzen zum Handeln getrommelt. An verbalen Superlativen fehlte es auch bei ihnen nicht: Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker sprach von einem "weltweit organisierten Angriff gegen den Euro".

Stunde der Wahrheit

Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy erklärte nach einer Einigung mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, ab sofort gehe es nicht mehr um Krisen einzelner Länder wie Griechenland. Vielmehr schlüge die "Stunde der Wahrheit" nicht nur für den Euro, sondern auch für die Union und für ganz Europa. Es bestehe die Gefahr, dass das "Friedenswerk" der Union auseinanderbreche. Die EU-Staaten und alle EU-Institutionen würden sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen, erklärte Sarkozy. Der EU-Kommission kam dann in hektischen Verhandlungsstunden zwischen Samstagfrüh und Sonntagnachmittag die Aufgabe zu, die politischen Vorgaben der Chefs in harte Zahlen zu fassen.

Im Kern ging es dabei um einen "Notfallmechanismus" für in Zahlungsschwierigkeiten gekommene Euroländer. Anders als bei EU-Ländern außerhalb der Währungsunion (für die es einen mit 50 Milliarden Euro dotierten Fonds gibt), kann die zentrale EU-Behörde gefährdeten Eurostaaten à la Griechenland oder Portugal nicht direkt mit Zahlungsbilanzhilfen unter die Arme greifen.

Das war der Grund, warum das Griechenland-Paket in den vergangenen Wochen zunächst auf bilateraler Ebene von den Staaten organisiert und am Freitag beim Eurogipfel beschlossen worden war. Die Idee ist nun, dass die EU-Kommission selber in die Lage versetzt werden soll, Kredite aufzunehmen, die sie den Euroländern zur Verfügung stellt, sollten diese auf den Märkten nicht mehr Anleihen zu vertretbaren Zinsen begeben können.

60 Milliarden aus EU-Budget

Zu Beginn der Sitzung hieß es, die Kommission werde den Vorschlag machen, die Zahlungsbilanzhilfen auf Euroländer auszudehnen. Das Geld dafür solle durch Mittel aus dem EU-Budget, die beschlossen, aber nicht zweckgewidmet sind, kommen - geschätzte 60 Milliarden Euro.

Dieses "Garantiekapital" würde es Brüssel ermöglichen, auf den Märkten Kredite bis zum Zehnfachen dieses Wertes, also 600 Milliarden Euro, zu organisieren. Damit, so hofft man, würde man Spekulanten davon abhalten, gegen den Euro bzw. einzelne Länder zu wetten. Allerdings gab es auch Widerstand. So erklärte der britische Finanzminister Alistair Darling: "Wenn es darum geht, den Euro zu unterstützen, dann ist das ganz klar eine Angelegenheit der Euro-Länder."

Pröll sagte, man werde über Obergrenzen sprechen müssen. Er betonte, dass es insgesamt darum gehe, ein Dreieck an Hilfe für angegriffene Euroländer zu bilden: Neben der Kommission müssten die betroffenen Länder strikte Sparmaßnahmen ergreifen. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, Printausgabe, 10.5.2010)