"Armutsgrenzen" erinnern seit Donnerstag daran, dass rund 500.000 Menschen in Österreich diese bereits überschritten haben - Der "Kulturpass" hilft bei der Rückkehr in das gesellschaftliche Leben

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Wien/Salzburg/Graz - Eine alleinerziehende Mutter in prekärem Arbeitsverhältnis berichtet in einem Beratungsgespräch, wie sie sich immer wieder entscheiden muss: Soll sie mit dem wenigen Geld, das sie noch hat, die Miete zahlen? Oder die Krankenversicherung? Oder Schulhefte kaufen? Martin Schenk von der Armutskonferenz hört einen Satz immer öfter: "Ich hätte nie gedacht, dass mir das je passieren würde." Das Abrutschen in die Armut.

Rund 500.000 Menschen - sechs Prozent der österreichischen Bevölkerung - leben laut Schenk bereits unter der Armutsgrenze. Und "arme Menschen rennen mit Scheuklappen durchs Leben. Sie schauen weder ins Reisebüro noch die Eintrittspreise von Veranstaltungen an", weiß Michi, ein Mitarbeiter der Straßenzeitung Augustin. "Der Kulturpass eröffnet da neue Möglichkeiten."

Michi nützt den Kulturpass, um mit ihm Gratistickets für Veranstaltungen zu bekommen, die ihm andere Besucher oder Organisationen gesponsert haben. Über die Aufführungen schreibt er Berichte in der neuen Augustin-Kolumne "Aus der Kulturpassage".

31.500 Kulturpassbesitzer gibt es bereits in ganz Österreich - davon 20.000 allein in Wien. Mit diesen Pässen konnten im Vorjahr in der Bundeshauptstadt insgesamt 31.000 Tickets für kulturelle Veranstaltungen ausgegeben werden.

Am Donnerstag setzte nun die Aktion "Hunger auf Kunst und Kultur" Zeichen, um im öffentlichen Raum zu dokumentieren, wie viele Menschen die Armutsgrenze bereits überschritten haben und auf Aktionen wie den Kulturpass angewiesen sind, um am gesellschaftlichen Leben noch teilhaben zu können. Denn die Armutsgrenze sei eine doppelte, betont Martin Schenk: "die ökonomische, die sich quer durch das Land zieht - und die soziokulturelle durch Kopf und Herz."

Die "Armutsgrenzen" manifestierten sich im Wiener Museumsquartier und vor dem Grazer Landhaus. In Salzburg wurde die auf den Boden geklebte "Armutsgrenze" am Wochenmarkt Schranne rund um den Verkaufsstand der Biobäckerei Itzlinger aus Faistenau (Flachgau) gezogen. Die Bäckerei verkauft seit rund einem Jahr ein eigens kreiertes "Kulturweckerl". Ein Teil des Verkaufserlöses kommt der Aktion "Hunger auf Kunst und Kultur" zugute.

Das Sozialsponsoring für die in Salzburg vom Dachverband Salzburger Kulturstätten, der Armutskonferenz, dem Theater ecce und der sozialpsychiatrischen Initiative Laube getragenen Aktion ist ein voller Erfolg: Allein durch den Erlös des Kulturweckerls wurden bisher etwa 5200 Euro gespendet. Damit ist der Beitrag des kleinen Privatunternehmers höher als jener des Landes Salzburg: Der Landesregierung ist "Hunger auf Kunst und Kultur" 5000 Euro wert. Die Stadt Salzburg steuert 7500 Euro zum Kunsthunger bei. (Roman David-Freihsl/Thomas Neuhold/DER STANDARD, Printausgabe, 7. Mai 2010)