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Panik in Amsterdam nach Schrei während Schweigeminute für die Opfer des Zweiten Weltkriegs.

Foto: EPA/ROBIN UTRECHT

Zwei Tage nach der Massenpanik in Amsterdam hat die Diskussion über Sicherheit bei Großveranstaltungen in den Niederlanden voll eingesetzt. "Sind wir ein ängstliches Land?", fragt die linksliberale Amsterdamer Volkskrant auf ihrer Titelseite. Nachdem voriges Jahr ein Attentäter mit seinem Auto in eine Veranstaltung mit Königin Beatrix gerast war, sehen sich die Niederlande jetzt erneut einem erhöhten Risiko für Terroranschläge ausgesetzt.

Und dafür waren weder Bomben noch Granaten nötig, es reichte ein Geräusch. Ein „geistig verwirrter" 39-jähriger Obdachloser hatte inmitten der Schweigeminute für die Opfer des Zweiten Weltkriegs mit einem lauten Schrei für Panik gesorgt. Ein fallengelassener Koffer wurde auf dem überfüllten Hauptplatz als Bombe misinterpretiert, die Menge stob daraufhin in Panik auseinander. „Bombe, Bombe, Flucht", tönte es laut Augenzeugenberichten kurz nach dem Schrei auf dem Platz.

Das Umfallen von Metallgittern, die als Absperrung gedient hatten, wurde laut Augenzeugen für Schüsse aus einer Pistole gehalten. 65 Menschen wurden bei dem Gedränge verletzt, zwei davon nach Angaben der Tageszeitung NRC next schwer. "Vor zehn Jahren hätten die Menschen nicht so reagiert, wenn damals jemand während der Schweigeminute laut geschrien hätte, wäre er sofort von den Leuten rundherum bedrängt worden. Heute löst so etwas schon Panik aus", schreibt die Volkskrant.

Lob für Polizei

Einhellig Lob gibt es hingegen für den Einsatz der Sicherheitskräfte, denen es mittels Lautsprecherdurchsagen gelang, die Massenpanik schnell einzudämmen. Berittene Polizei sowie 600 Beamte in Uniform und in Zivil sorgte bei den Zugängen zu dem zentralen Platz der niederländischen Hauptstadt für Ordnung. Über die Amsterdamer Innenstadt wurde nach Anordnung des Nationalen Anti-Terror-Koordinators eine Notverordnung verhängt, die der Polizei erweiterte Befugnisse bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit erlaubt. Besonders die Zufahrtstraßen, auf denen auch Autos den Dam überqueren können, standen nach dem Attentat vor einem Jahr unter genauer Beobachtung.

Die Königin und ihre Familie wurden binnen Sekunden nach dem Schrei in einer benachbarten Kirche in Sicherheit gebracht. Als sie wenige Minuten später wieder auf den Großbildschirmen zu sehen war, ging ein Raunen durch die Menge. Laut Polizeichef Bernard Welten hat die Monarchin selbst darauf bestanden, die Gedenkfeier trotz des Zwischenfalls fortzuführen.

Täter wieder auf freiem Fuß

Der mutmaßliche Täter, der in Amsterdamer Obdachlosenkreisen ob seiner Kleidung und seiner Barttracht als "Rabbiner" bekannt ist, ist mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Auch jener Mann, der vor Schreck während der Schweigeminute seinen Koffer hatte fallen lassen, wurde von der Polizei befragt. 

"Die größte und bisher kaum beachtete Gefahr bei solchen Ereignissen ist die schiere Masse an Menschen", schreibt NRC next. "Tausende Menschen geraten wegen eines minimalen Anlasses in eine derartige Panik. Das kann man nicht verhindern, indem man noch mehr Polizei einsetzt."

"Wir gedenken so"

So wird nun überlegt, Taschen und Koffer bei ähnlichen Veranstaltungen künftig nicht mehr zu erlauben. Amsterdams Polizeichef Welten reagierte gegenüber dem staatlichen TV-Sender NOS besonnen: "Da sind auch viele Fahrräder und Kinderwägen, soll man die dann auch verbieten? Wir gedenken nun einmal so unserer Toten, es ist doch die Frage, ob solche Maßnahmen dazu passen." (flon/derStandard.at, 6.5.2010)