Sparen ist gut, Steuern sind böse" : So lautet ein populäres Glaubensbekenntnis in der Debatte um die Budgetmisere. Vertreter von Wirtschaft und Industrie beten es vor, viele Kommentatoren ebenso, populistische Oppositionelle und Schlagzeilenmacher erst recht. Auch die ÖVP zählt zu den Überzeugten, selbst wenn sie aus Geldnot nun von der reinen Lehre abweicht. Der Staat, dieser notorische Verschwender, so das Credo, soll lieber bei sich selbst sparen, statt den Steuerzahlern mitsamt den im Wettbewerb stehenden Unternehmern Mühlsteine umzuhängen.

Neuerdings mischt sich in die Argumentation allerdings eine Portion Schizophrenie. Auch konservative und wirtschaftsliberale Reformer blicken nun nach Nordeuropa, wenn sie Vorbilder für ein modernes Staatswesen suchen - dort liegen aber drei von vier Ländern in der EU, die Bürger stärker zur Kasse bitten als Österreich. Hohe Steuern sind deshalb noch kein Erfolgsgarant, doch das Klischee vom Gift für die Wirtschaft lässt sich mit einem Blick in diverse Ranglisten entkräften. Schweden, Dänemark und Finnland weisen nicht nur ein stärkeres Wachstum auf, sie belegen auch, dass Steuereinnahmen nicht per se vom Beamtenmoloch verschlungen werden. Die Skandinavier erkaufen sich vielmehr ein besser ausgebautes Wohlfahrtssystem, das in schweren Zeiten zur Stabilität beiträgt.

Natürlich verschleudern Staaten auch Geld. Doch die Wunderwaffe Verwaltungsreform brächte, sofern sie je gebaut wird, erst nach Jahren große Summen. Überdies produzieren Einschnitte in der Krise Kollateralschäden. Werden ad hoc öffentliche Stellen exzessiv gestrichen, droht steigende Jugendarbeitslosigkeit, was die Einsparungen zum Teil vernichten würde. Ähnliches gilt für das an sich sinnvolle Aus der Hacklerfrühpension.

Regierungen, die kurzfristig Geld brauchen, landen deshalb schnell bei disponiblen Sozialleistungen. So auch diesmal: Wenn die Koalition laut Budgetplan 2011 die größten Brocken bei den Posten Arbeit, Familien und Pensionen einsparen will, werden Niedrigverdiener und Arbeitslose, die auf Stützen vom Staat angewiesen sind, mehr leiden als Besserbetuchte. Die Familienbeihilfe etwa macht einen wichtigen Anteil schwacher Einkommen aus - schon wird die Streichung der 13. Auszahlung im Jahr erwogen. Kürzungen wie diese sind nicht nur ungerecht, sondern gefährden auch den Konsum und damit den Aufschwung. Die unteren Schichten geben von jedem zusätzlichen Euro einen großen Teil wieder aus. Je höher hingegen das Einkommen, desto mehr landet auf dem Sparbuch. Gerade Wirtschaftslobbyisten argumentieren kurzsichtig, wenn sie immer nur auf Einschnitte pochen.

Unkluge Steuererhöhungen, etwa der Mehrwertsteuer, können ähnlichen Schaden anrichten. Auf Abgaben, die Vermögen belasten, trifft das viel weniger zu. Die obersten zehn Prozent halten laut Nationalbank über die Hälfte des Geldvermögens - wegen einer neuen Steuer ist in dieser wohlbestallten Oberschicht mit keinem großen Konsumeinbruch zu rechnen. Spielraum für Freibeträge, um kleineren Besitz zu schonen, bliebe ohnehin.

Dass Vermögen nun auch für die ÖVP nicht mehr sankrosankt sind, erweitert die Möglichkeiten für eine faire Budgetsanierung. Der Staat kann es sich nicht leisten, auf dieses Potenzial zu verzichten. Folgen den Steuerideen nur Alibiaktionen, droht bedenkliches Sparen mit dem Rasenmäher. (Gerald John, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.5.2010)