Wirtschaft/Finanzen: Die magersten Jahreseit Maggie Thatcher

Die Finanzexperten aller Parteien haben "die härtesten Einschnitte" seit Maggie Thatchers Zeiten angekündigt. Nullrunden im öffentlichen Dienst, Steuererhöhungen für Besserverdiener, womöglich eine Anhebung der Mehrwertsteuer um zwei Prozent - alles soll dem Ziel der Haushaltskonsolidierung untergeordnet werden.

Europas drittgrößte Volkswirtschaft sitzt auf einem riesigen Schuldenberg. Die Staatsverschuldung hat sich seit 2007 fast verdoppelt, das Haushaltsdefizit liegt mit 11,8 Prozent auf fast griechischem Niveau. Die Konservativen wollen binnen 50 Tagen einen Nothaushalt vorlegen und bereits in diesem Jahr sechs Milliarden Pfund durch sogenannte Effizienzsteigerungen einsparen. Labour warnt vor übereilten Sparprogrammen: Diese wären "falsch und gefährlich" , weil die gerade erst anspringende Konjunktur abgewürgt werden könnte.

Schulwesen: Umstrittene Studiengebühren

"Bildung, Bildung, Bildung", gab der damalige Labour-Führer und Premier Tony Blair 1997 als drei Prioritäten seiner Regierung vor. Diesmal setzen die Konservativen auf das Thema.

Nach schwedischem Vorbild soll Elterngruppen und Wohlfahrtsorganisationen erlaubt werden, staatliche Schulen zu betreiben. Außerdem soll das von Labour begonnene Programm sogenannter Akademien in der Sekundarstufe ausgeweitet werden.

Die Regierungspartei unter Gordon Brown setzt dagegen auf mehr Kindergartenplätze für Zwei- und Dreijährige; dies soll durch Einsparungen in der zentralen Kultusbürokratie erreicht werden.

Die Liberaldemokraten versprechen die schrittweise Abschaffung der Studiengebühren von derzeit bis zu 3000 Pfund (3500 Euro) pro Jahr. Allerdings stöhnen die Universitäten schon jetzt über Kürzungen in ihren Forschungsetats.

Einwanderung: Zwei Millionen Neuankömmlinge

Jahrzehntelang wurde die Frage tabuisiert - diesmal steht die Einwanderung auf der The- menliste ganz oben, getoppt nur noch von der Wirtschaftslage. Seit Labours Amtsantritt 1997 kamen rund zwei Millionen Ausländer ins Land, landesweit werden rund 20 Prozent aller Kinder von Müttern geboren, die nicht von der Insel stammen. Rund 40 Prozent der Ankömmlinge stammen aus der EU, alle großen Parteien wollen an der Freizügigkeit festhalten.

Die Regierungspartei Labour hat kürzlich ein Punktesystem eingeführt, das die Immigration auf bestimmte Jobs begrenzt. Die Konservativen gehen weiter und plädieren für eine jährliche Obergrenze, die deutlich unter 100.000 Einwanderern pro Jahr liegen soll (2008: 250.000). Das liberale Programm sieht eine Amnestie für illegale Immigranten vor; sie sollen nach zehnjährigem unbescholtenem Aufenthalt ein Bleiberecht erhalten.

Afghanistan: Neue Rolle für die britischen Streitkräfte

Während kleinere Parteien wie die rechtsradikale British National Party und die Grünen für den sofortigen Abzug plädieren, halten die drei großen Parteien am Krieg in Afghanistan fest. Dort starben zu Wochenbeginn wieder zwei Soldaten, die Gesamtzahl der Gefallenen liegt jetzt bei 284. Die Liberaldemokraten sprechen von einem Rückzugstermin "im Lauf der nächsten fünf Jahre" , Labour und Konservative wollen bleiben, "solange es nötig ist" .

Die zuletzt heftig umstrittenen Ausbildungsmängel der Armee kamen im Wahlkampf kaum noch zur Sprache. Die Konservativen wollen einen Nationalen Sicherheitsberater nach US-Vorbild einführen, die Liberalen lehnen die teure Anschaffung weiterer Typhoon-Kampfjets ab. Alle Parteien sind sich darin einig, dass ein neues Weißbuch zur Militärstrategie die Rolle der Streitkräfte bald neu definieren soll.

Europa: Griechenland-Krise bestätigt Befürchtungen


Außen- und Europapolitik spielten im Wahlkampf eine untergeordnete Rolle. Weil die Liberaldemokraten die Erneuerung der britischen Atomstreitmacht überdenken wollen und Labours "sklavische Haltung" gegenüber Amerika kritisierten, wurden sie von Premier Gordon Brown als antiamerikanisch gebrandmarkt. Die Griechenland-Krise hat die Briten und ihre Parteien in der Ablehnung weitergehender europäischer Integration bestärkt.

Während die Tories einen Beitritt zur Währungsunion auf Dauer ausschließen und gern Kompetenzen aus Brüssel zurückholen möchten, sprechen Labour und Liberaldemokraten von positiver Mitarbeit in der Europäischen Union. Der Liberaldemokrat Nick Clegg hatte noch Anfang vergangenen Jahres von der europäischen Währung als "Anker" zum Schutz gegen die internationalen Finanzmärkte gesprochen. (sbo/DER STANDARD, Printausgabe, 6.5.2010