Roma posieren vor einem Ruinenbild des Louvre von Hubert Robert, das 1796 bereits während der Bauarbeiten entstand.

Foto: Generali Foundation

Wien - "Ich wäre nicht nach Deutschland gekommen, wäre ich nicht auf der Suche nach dem Glück gewesen", erzählt ein Mann aus Skopje im Video Role-Taking, Role-Making (2004/05) der bosnischen Künstlerin Danica Dakić. Eine Arbeit, die von einer Roma-Theatergruppe im Exil erzählt und Themen wie Identität und Migration verhandelt. Auch Dakić selbst suchte seinerzeit ihr Glück in Deutschland:Nach dem Malereistudium in Sarajevo und Belgrad war es "ein kleiner Traum" , an der Beuys-Akademie zu studieren. "Ich habe gehofft, dass auch nach Beuys' Tod sein Geist noch spürbar wäre." Der erste Professor, den sie dann 1988 in Düsseldorf traf, war Videokunstpionier Nam June Paik. Spezifisches Interesse für Video, sagt Dakić, habe sie nicht gehabt. Und so habe sie in der Paik-Klasse eben zunächst gemalt.

Heute arbeitet die 48-jährige Künstlerin ausgesprochen viel mit filmischen Medien, wie ihrer in leichtes Dunkel getauchten Ausstellung in der Generali Foundation anzumerken ist. Als Videokünstlerin würde sich Dakić, die unter anderem 2007 an der Documenta in Kassel und 2009 an der Biennale in Istanbul teilnahm, jedoch nicht bezeichnen: "Ich bin eine Bildermacherin. Es ist stark zu spüren, dass ich von der Malerei komme." Form und Medium ergebe sich stets aus dem Inhalt.

Brückenklangkörper

"Ich habe auch schon Brücken vertont bzw. ihre Architektur zu einem Klangkörper umgeformt" , sagt Dakić. Die Tondokumente von Wiegenliedern, die sie von Reisen in die verschiedensten Länder mitgebracht hat, dienten ihr als Baumaterial für Lullaby of the Earth. Ein Projekt, das sie zweimal realisierte, 2000 in Bratislava, 2002 in ihrer Geburtsstadt Sarajevo. "Obwohl beide Klangbrücken aus den gleichen Liedern gebaut wurden, klangen sie ganz anders. Der Eindruck ist abhängig vom kulturellen und politischen Hintergrund des Ortes."

Die soziale und kulturelle Prägung von Rollen sowie die Begriffe von Kultur, Heimat und Tradition, die durch Migration und Krieg starken Veränderungen unterworfen sind, spielen in Dakićs poetisch verschlüsselten Arbeiten eine große Rolle. Sie sind freilich auch biografisch begründet: "Es ist eine ganz andere Erfahrung, ob man freiwillig weggegangen ist wie ich oder ob man aus politischen Gründen fliehen musste. Und doch hat der Bosnienkrieg meine Kunst stark verändert. In Momenten, wo um einen herum alles zusammenbricht, fragt man nach dem Grundsätzlichen."

Orte transformieren

Selbst fühlt sie sich weder in Düsseldorf noch in Sarajevo ganz zu Hause. Diese Distanz eröffne jedoch wieder andere Möglichkeiten der Wahrnehmung: "Jeder Verlust führt zu einem Gewinn." Dakić nutzt ihren geschärften, sensibilisierten Blick während ihrer intensiven Recherchereisen: Sie überprüft, ob es möglich ist, an einem Ort, beispielsweise einer Romasiedlung, etwas zu entwickeln; ob die Energie stimmt; ob die Menschen, mit denen Dakić arbeiten will, Neugierde entwickeln und sich auf sie einlassen.

2008 führte sie eine Reise nach Mexiko-Stadt, wo sie eine ganze Reihe von Werken entwickelte: etwa Warm up, ein Video, das auf der Plaza de las Tres Culturas spielt - einem Ort, an dem "sich die Geschichte von Mexiko verdichtet" und der Dakić tief beeindruckte. Überreste aus präkolumbianischer Zeit, eine während der spanischen Eroberungskriege errichtete Kirche, für die dieselben Steine verwendet wurden wie für die Azteken-Tempel: Und beides trifft auf die moderne Architektur eines Ministeriums. Genau dort lässt Dakić eine Balletttänzerin ihr Warm-up performen, wie eine zum Leben erweckte Skulptur. Es ist das Bild einer meist weiblichen, allegorischen Statue, die sich zur lebendigen Persönlichkeit transformiert.

Es ist eine poetische Wandlung von Rollen und Zuschreibungen. Diese Strategien der Verfremdung und Verunsicherung wendet Dakić in ihrem dichten, sehenswerten Werk häufig an. "Oft ordnet man Dinge ein und ist vorschnell überzeugt, sie verstanden zu haben. Es sind leider oft Missverständnisse." (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe, 06.05.2010)