Zuletzt singt er in einer entspannten Runde von Bewunderern noch I Did It My Way. Und Paulo Coelho macht das gar nicht schlecht, betont heiser und eigenwillig, legt das mit Frank Sinatras Eitelkeit bis in alle Ewigkeit verschweißte Liedchen durchaus gebrochen an - wie es sich für einen Mann gehört, der nicht nur an die 80 Millionen Bücher verkauft hat, vielmehr auch einiges an Ungemach zu erleiden hatte.

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Hätte er in der Doku Auf dem Jakobsweg mit Paulo Coelho mehr als nur diesen einen Schlager gekrächzt, es wäre auch nicht umzuschalten gewesen. Coelho allerdings zog es vor, die telegene Aura jener Schauplätze, die man auf dieser Pilgerfahrt zu passieren hat, verbal üppig zu würzen.

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Und als man mit ihm schließlich am Ziel, also in Santiago de Compostela, angelangt war, durchdrang einen längst die Vermutung, dass hier ein Aphoristiker ein erotisches Verhältnis zu seiner eigenen Weisheit pflegt: "Jeder Traum lässt sich verwirklichen!" - "Realität ist mehr, als wir sehen können!" - "Die Liebe macht es leicht!" - "Wir haben die Aufgabe, das Wunder des Lebens zu teilen!" - "Das Leben ohne Liebe ist sinnlos!" - Nimm zunächst die Liebe deines Nächsten an!"

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Man kam mit dem Mitschreiben der Erkenntnisorgasmen gar nicht mehr nach. Dennoch reicht obige Weisheitsmenge aus, um zu behaupten, hier hätte ein Erleuchteter zu uns gesprochen, der seltsamerweise noch keine eigene religiöse Bewegung begründet hat.

Wie auch immer. Wir bestellen bei Kreuz und Quer eine weitere Doku zum Phänomen Jakobsweg - indes ohne Coelho. Erleuchtung vor dem Schlafengehen ist ja nicht schlecht, aber eigentlich lieber anhand von interessanten Fakten. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD; Printausgabe, 6.5.2010)

 

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