Lisa Nimmervoll, flankiert von Bildungsministerin Schmied (links), Gerfried Sperl und Oscar Bronner.

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STANDARD-Redakteurin Lisa Nimmervoll erhielt am Welttag der Pressefreiheit den Staatspreis für Bildungsjournalismus. Wir bringen hier einen Auszug aus Ihrer Rede und weiter unten eine Passage aus der Laudatio des langjährigen STANDARD-Chefredakteurs Gerfried Sperl.

"Pressefreiheit ist immer wieder gefährdet. Das liegt vor allem daran, dass sie, wenn sie gut ist, wenn die freie Presse ihre Arbeit gut macht, unbequem für die Mächtigen ist. Weil sie nicht ohne Grund die vierte Gewalt in einer demokratisch verfassten Gesellschaft genannt wird. Damit ist eine hohe Verantwortung verbunden.

Freiheitsräuber

Dass sich die Medien, zumal wenn sie Qualitätsmedien sein wollen, seit geraumer Zeit in einem Umfeld mit äußeren und inneren Bedrohungen für das hohe Gut der Pressefreiheit zurecht finden müssen, ist unübersehbar. Ökonomischer Druck im Fahrwasser der Finanz- und Wirtschaftskrise, aber auch wachsender Zeitdruck durch das rasende Tempo aus dem Internet sind latente Freiheitsräuber. Wir müssen aufpassen, dass uns vor lauter Tempo, Tempo, Tempo, vor lauter Schnellschuss- und Häppchen-Journalismus nicht die Zeit davonrennt zum Denken, zum Nachdenken und Vordenken. Zum Bedenken einer Sache. Also lieber zweifach nachdenken als einfach drauf los schreiben. Dazu kommt, dass wir Journalistinnen und Journalisten in einem Bereich arbeiten, in dem die, über die wir schreiben müssen, seien es Politiker oder Wirtschaftsbosse, ihre PR-Abteilungen und Kommunikations-Headquarters behände ausbauen und personell aufrüsten, während die Personalsituation in der Medienbranche immer prekärer und bedrängter wird.

Das sind Systemtransformationen, derer sich die Branche bewusst werden muss. Es geht um die Kernfrage: Was ist Qualitätsjournalismus? Ich glaube, dass er zuallererst etwas mit der inneren Einstellung zu tun hat - mit Haltung.

Guter Journalismus muss vor allem das machen, was mit dem zeitlos schönen Wort Aufklärung umschrieben werden kann. Aufklärung im Sinne von Licht in dunkle oder verborgene Ecken zu werfen. Wir dürfen uns nicht mit der bloßen Beschreibung der politischen Inszenierung begnügen, wir müssen sie hinterfragen und aufdecken, den Leserinnen und Lesern sagen, welches Stück gespielt wird.

Den Regierten dienen

Diese Aufklärung ist das Kerngeschäft eines verantwortungsvollen Journalismus. Und nicht das, was ich Wellness-Journalismus nennen möchte, dem es primär darum geht,"schöne" Geschichten, Wohlfühlgeschichten zu inszenieren und zu schreiben. Meist sind es gerade die "unschönen" Geschichten, die uns das meiste über unsere Gesellschaft erzählen.

Dabei dürfen wir eines nie aus den Augen verlieren - der amerikanische Höchstrichter Hugo Black hat es 1971 beim Prozess gegen die New York Times sehr treffend formuliert. Die Zeitung hatte aus geheimen Pentagon-Papieren über den Vietnam-Krieg berichtet und wurde von der Nixon-Regierung verklagt. Höchstrichter Black schrieb in seiner Verteidigung der Pressefreiheit und ihrer "essenziellen Rolle für die Demokratie" damals: "The press was to serve the governed, not the governors." - Die Presse hat den Regierten und nicht den Regierenden zu dienen.

Gegen Information hilft nur Bildung

Wie aber sollen diese Regierten wissen, was sie von der vielen Information, die auf dem globalen, virtuellen Info-Markt gehandelt wird, halten sollen? Sie müssen in die Lage versetzt werden, das, was wir Medienmacherinnen tun, einordnen und bewerten zu können. Und wie? Der frühere Präsident der deutschen Max-Planck-Gesellschaft, Hubert Markl, hat darauf eine schöne Antwort: "Gegen Information hilft nur Bildung." Ein schöner, kluger und wahrer Satz.

Nur Bildung hilft also. Ich habe mich vor langer Zeit bewusst für das Politikfeld Bildungspolitik entschieden. Weil ich es für eines der wichtigsten Politikfelder überhaupt halte. Und vielleicht hängt das auch ein bisschen damit zusammen, dass ich an meine Schul- und Universitätszeit die schönsten Erinnerungen habe.

Solche geglückten Bildungserfahrungen, wie ich sie machen durfte, wünsche ich allen. Es ist die Verantwortung des Staates, die Rahmenbedingungen für gelingende Bildungsprozesse zu schaffen. Jenes Staates, der symbolisch in diesem Preis steckt. Eines Staates, an den ich immer geglaubt habe. Ja, ich glaube an den starken, sozialen, verantwortungsbewussten, demokratischen Wohlfahrtsstaat.

Schule ist und bleibt die größte Zaubermaschine für Emanzipation. Bildung befreit aus dem Angewiesensein auf andere, ein Angewiesensein, das der offene Türspalt für Manipulatoren und populistische Menschenfänger ist. Es gibt nie zu viel Bildung, nur zu wenig. Und Bildungsarmut ist das fahrlässigste aller Politikversagen.

Gegen ahnungslose Kraftmeierei

Damit schließt sich mein Kreis vom Informationsgeschäft zur Bildungspolitik. Eins sei noch gesagt: Der Satz "Gegen Information hilft nur Bildung" gilt natürlich auch für uns Journalistinnen und Journalisten selbst. Wer kritikfähig bleiben will, wer analytische Kraft statt ahnungsloser Kraftmeierei entfalten will, muss sich bilden, muss kompetent sein in dem Bereich, über den er oder sie schreibt. Denn unser wertvollstes Pfand ist unsere Glaubwürdigkeit und Unbestechlichkeit. Das setzt voraus, dass es an unserer Einschätzungs- und Fachkompetenz keinen Zweifel gibt. Was wir den Leserinnen und Lesern in die Hand drücken, muss ein gedeckter Scheck sein.

Dann werden wir auch gelesen werden. Denn ich bin von einem zutiefst überzeugt: Es gibt ein Bedürfnis nach intelligentem, nachdenklichem Journalismus. Darum haben wir Medienmenschen ein Interesse an kritischen, medienkompetenten Leserinnen und Lesern. Vorauseilende Nivellierung nach unten - je bunter, desto besser, mehr Bilder fürs Auge statt mehr Text fürs Hirn - ist nicht die Lösung. Es gibt den Hunger nach anspruchsvollen Texten. Dem zu genügen, muss unser Anspruch sein."


Gerfried Sperls Seitenhiebe beim Staatspreis für Bildungsjournalismus

Bildungsministerin Claudia Schmied überreichte STANDARD-Redakteurin den Staatspreis für Bildungsjournalismus. Der langjährige STANDARD-Chefredakteur Gerfried Sperl nutzte die Gelegenheit für kritische Anmerkungen wie diese:

"Seit zehn Jahren lassen die jeweiligen Regierungskoalitionen Gesetze oder Novellen schreiben, die der Meinungs- und Pressefreiheit engere Grenzen setzen wollen - zuletzt wieder das Telekommunikationsgesetz zur Vorratsdatenspeichung. Und das in einer Zeit, da prinzipiell notwendige Maßnahmen wie die gegen Terror oder Mafia-Aktivitäten von pflichtbewußten Beamten oder Staatsanwälten so interpretiert werden, dass man sie auch gegen angebliche Dissidenten oder Demonstranten einsetzen kann.

Auffällig ist, dass den österreichischen Gesetzgebern und speziell den Regierungsparteien keine Gesetze einfallen, die eine größere Informationsfreiheit sicherstellen, die mehr Pressefreiheit bringen würden. Und auffällig ist weiters, dass die Liebe der Spitzenpolitik jenen Massenblättern gilt, deren Qualität nicht immer jener der Jerry Cotton Hefte entspricht. Sie werden mit Inseraten geradezu gefüttert, obwohl sie seit Jahren die EU herunterschreiben oder jetzt wieder die Finanzhilfe für Griechenland mit Sonderschulvokabeln betiteln. Diese Zeitungen und Magazine sind für mich wichtig, sagte mir vor Jahren schon der Bürgermeister einer großen österreichischen Stadt. Ihr, und damit meinte er den STANDARD, seid für die demokratische Hygiene." (red)