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Norwich/Zürich - Anstoß zu einer Diskussion, mit der nicht viele gerechnet haben dürften, gab nun ein britischer Filmanalytiker: Wie sieht es eigentlich mit dem Recht von Tieren auf Privatsphäre aus? Brett Mills von der School of Film and Television Studies der Universität East Anglia veröffentlichte einen Artikel in der Fachzeitschrift "Continuum. Journal of Media and Cultural Studies", in dem er die Ergebnisse seiner Studie über eine Naturfilmreihe der BBC präsentiert. Seine Bilanz in Kurzform: Naturfilmer verletzen häufig das - nirgendwo garantierte - tierische "Recht" auf Privatsphäre, besonders wenn intime Momente wie Paarungen oder Geburten gezeigt werden. Ethische Grenzen würden dabei überschritten.

Grundsätzlich gesteht Mills Tierdokumentationen durchaus hohen Wert zu: "Durch ihre Aufklärungsarbeit haben sie eine entscheidende Rolle für die Mobilisierung von Bürgern in Umweltdebatten." Aus dem Spiel bleiben dürfe dabei jedoch nicht die Ethik, für die laut Mills neben Menschenrechten auch die Rechte der Tiere und deren Wohlergehen entscheiden würden. "Klingt es auch verrückt, auf ein "Tierrecht auf Privatsphäre" zu pochen, so können wir nie wirklich wissen, ob Tiere ihr Einverständnis geben. Vielmehr geben sie oft zum Ausdruck, dass sie im Moment lieber nicht beobachtet werden wollen."

Kamera nicht willkommen

Als Beispiel führt der Filmanalytiker die auf BBC laufende Szene eines unter der arktischen Eisschicht gefilmten Narwals an, der vor der Kamera ganz offensichtlich zurückweicht. "Statt ihn alleine zu lassen, berichteten die Filmemacher, ihre neue Kameratechnik erlaube es, das Tier weiter zu verfolgen. Man fragt sich stets, wie Tiere gefilmt werden sollen - nicht jedoch, ob es überhaupt angebracht ist", so Mills. So wie Menschen sollte man auch der Tierwelt ein Recht auf Intimität zugestehen, besonders etwa bei der Paarung oder beim Gebären - Momente, in denen auch die meisten Menschen keine ständige Beobachtung wünschen.

Können und sollen

Es gehe hier nicht um den klassischen Tierschutz, erklärt der Züricher Tieranwalt Antoine F. Goetschel. "Dem Tier wird durch das Filmen der Intimität kein messbares Leid zugefügt. Allerdings ist es eine Frage des Umgangs mit dem Tier, da es durch solche Aufnahmen sehr wohl verdinglicht und ein Stück auch erniedrigt wird." Grundsätzlich sieht der Experte Tierfilme als "eindeutig bessere Alternative" zur Tierbeobachtung im Zoo oder im Zirkus, zudem hätten sie Großes für das Verständnis der Menschen über Tiere geleistet.

Empfehlungen zum richtigen Umgang gibt es schon länger. Bereits 1994 veröffentlichte das Europaparlament eine "Entschließung zum Wohlergehen und dem Status von Tieren in der Gemeinschaft". Dabei wird an die Filmwirtschaft appelliert, nicht unkritisch Szenen zu übertragen, die die Würde des Tieres verletzen. In der Schweiz ist die Würde des Tieres in der Bundesverfassung verankert. "Man sollte nicht alles technisch machbare auch durchführen. Vielmehr geht es hier darum, Mut zur Lücke zu zeigen anstatt alles bedenkenlos aufzunehmen, was vor die Kamera gerät", empfiehlt Goetschel.

Reaktion der BBC

Die Naturfilm-Abteilung der BBC rechtfertigt in einer Stellungnahme ihr Vorgehen. "Die Filmtechnik ist mittlerweile so fortgeschritten, dass Naturfilmer Tierverhalten mit der geringsten möglichen Störung des Tieres filmen können. Die Filmer arbeiten eng mit den Wissenschaftlern zusammen, die die Komplexität des Tierlebens untersuchen." Für Goetschel noch keine befriedigende Antwort, zumal die Frage der Tierwürde nicht behandelt wurde. "Die BBC hat sich bisher einen hervorragenden Namen mit Tierfilmen gemacht. Es wäre gut, wenn sie auch in diesem Gesichtspunkt eine Vorreiterrolle einnimmt." (pte/red)