Gerhard Richter: Erstmals gelangt ein Porträt seiner Frau Sabine (1,2–1,8 Mio. Dollar) auf den Markt

Foto: Christie’s

Eine schon etwas staubige, aber deshalb nicht weniger beachtliche Bubble: Zwischen 2002 und 2008 jagte ein Rekord den anderen, und die Preise für zeitgenössische Kunst wucherten explosionsartig. Um satte 225 Prozent, sagen einschlägige Statistiken. Die Kataloge der Auktionshäuser wurden immer gewichtiger, sowohl Prestigeobjekte als auch die Seitenfülle betreffend. Der Anteil der auf dem Markt mit Werten jenseits der 100.000-Dollar-Marke gehandelten Zeitgenossen stieg in diesem Zeitraum von vier auf 20 Prozent. Dann folgte eine Umkehr, drastischer Wertverfall inklusive. Um exakt 40 Prozent, wie die amerikanische Kunstpreisdatenbank "Artprice" jüngst verlautbarte.

Zeitgleich verschoben sich die Umsatzanteile der anderen Sparten, die lediglich auf den ersten Blick Bezeichnungen wie solides Revival oder Hochkonjunktur für sich beanspruchen dürfen: Bei den Impressionisten und der Moderne stieg der weltweite Anteil von knapp 44 (2008) auf 48,2 Prozent (2009), bei Arbeiten des 19. Jahrhunderts von 14,3 (2008) auf 13 Prozent (2009) und das Segment Alter Meister von 6,8 (2008) auf 12,5 (2009) Prozent. So sieht die Gliederung des Kunstmarktkuchens derzeit aus.

Die von Insidern seit Jahren herbeiphilosophierte Bereinigung wälzte sich also durch den Markt, und tut es noch. Darüber täuschen auch jüngere Einzelerfolge nicht hinweg, denn nur für Ausnahmekunstwerke sind Sammler oder auch der Handel bereit, ihre Konten entsprechend zu plündern: Für Ikonen wie Warhols 200 One Dollar Bills (28,93 Mio. Euro, November 2009, New York) oder Giacomettis Schreitender (74,18 Mio. Euro, London 2010).

Allein anhand dieser beiden Ergebnisse scheint Sotheby's derzeit die besseren Karten zu haben. Ob sich das nun bei den kommende Woche in den Sparten Zeitgenössisches sowie Impressionisten und Moderne anberaumten Sales in New York fortsetzt, steht freilich in den Sternen.

Ist Provenienz der Trumpf, dann könnte nämlich genauso gut Christie's die Nase vorne haben, mit der Sammlung Brody (Impressionist & Modern Art) und jener Michael Crichtons (Contemporary & Post War) andererseits. Erstere stammt aus dem Besitz der Witwe des Bauunternehmers Sidney Brody aus Los Angeles. Allein 27 der insgesamt 81 angebotenen - und von Christie's übrigens garantierten (!) - Werke sollen im Zuge des Evening Sales (Impressionist & Modern Art, 4. Mai) zwischen 140 und 190 Millionen Dollar einspielen. Dazu wird etwa Picassos Gemälde Nu au plateau de sculpteur, in dem Pablo 1932 seine damalige Geliebte Marie-Thérèse Walter verewigte, zwischen 70 und 90 Millionen beitragen.

Zusammen mit den anderen artifiziellen High Potentials - darunter Edvard Munchs Allegorie auf die Fruchtbarkeit, das einzige noch in Privatbesitz befindliche Großformat (25-35 Mio. Dollar) - hofft Christie's auf ein Abendtotal von 266,18 bis 373 Millionen Dollar. Und insofern gibt sich Sotheby's mit einer Hoffnung auf 144,85 bis 208,75 Millionen Dollar im Vorfeld etwas bescheidener. Zu den dort am Abend des 5. Mai ausgelobten Celebrities gehört allen voran Henri Matisses Blumenstillleben, das er am ersten Nationalfeiertag nach Ende des Ersten Weltkriegs malte und für das die Experten ihre Erwartungen mit 18 bis 25 Millionen Dollar beziffern. Zu den aus österreichischer Sicht vielversprechenden Kandidaten dürfte Egon Schieles auf vier bis sechs Millionen Dollar taxierter weiblicher Rückenakt gehören. Er ist ein Fragment aus der Komposition Bekehrung von 1913, von der sich ein weiteres (Rückenakt mit Schultertuch) in der Sammlung Leopold befindet.

Crichtons Sammlung

Ab 11. Mai betreten dann die Zeitgenossen die Bühne des Geschehens. Zum Auftakt verteilt Christie's die Sammlung des 2008 verstorbenen Bestsellerautors, der trotz vier Scheidungen im Laufe der Jahre eine wahrhaft stattliche Kollektion zusammenraffte: 93 Arbeiten, die in verschiedenen Sales versteigert werden und sich mit bis zu 74,31 Millionen Dollar zu Buche schlagen könnten. Einen wesentlichen Beitrag dazu wird das Titellos liefern, das laut Angaben seiner Witwe auch als Herzstück der Sammlung galt: Jasper Johns Flag, die zumindest zehn, wenn nicht mehr als 15 Millionen Dollar bringen soll.

Sotheby's hält dem am 12. Mai eine wertmäßig auf 113,95 bis 161,75 Millionen Dollar schwere Abendformation entgegen, wobei Andy Warhols Selbstporträt aus dem Besitz Tom Fords, Brice Mardens Cold Mountain I (jeweils 10-15 Mio.) und ein Mark Rothko von 1961 (18-25 Mio.) bis zum finalen Hammerschlag um den Part des Hauptdarstellers kämpfen werden.
(Olga Kronsteiner / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.4./1.5./2.5.2010)