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Ein umstrittener Präsident, der sich volksnahe gibt: Ramsan Kadyrow (re.) bei einem Auftritt am vergangenen Sonntag anlässlich des von ihm geschaffenen "Tages der tschetschenischen Sprache".

Foto: Reuters

Selten empfängt der tschetschenische Präsident westliche Journalisten in seiner luxuriösen Residenz - noch seltener mitten in der Nacht. Doch die Message ist Ramsan Kadyrow wichtig: Seine Weste ist blütenweiß.

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Zwei goldene Löwen bewachen die Residenz des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow. Sie glänzen im grellen Scheinwerferlicht, das die sonst tiefschwarze Nacht durchschneidet. Ausgenommen vom Quaken der Frösche aus Kadyrows Privatsee ist es auf dem Anwesen 30 Kilometer von der tschetschenischen Hauptstadt Grosny entfernt totenstill.

Es ist kurz nach 22 Uhr, und es riecht nach Frühling und frischer Bergluft. Obwohl sich der Abflug einer Gruppe internationaler Journalisten aus Moskau um mehr als drei Stunden verzögerte, ist der tschetschenische Präsident bereit, die Gäste auch zu später Stunde zu empfangen. Am Eingang heißt es für die späten Besucher nach den Regeln des Islam erst einmal die Schuhe ausziehen, und schon steht man mitten im Wohnbereich des gläubigen Muslimen. Im Vorraum steht ein großer, sorgfältig abgedeckter Billardtisch, auf einem Flatscreen laufen Videos von Kadyrow auf einer Pferdekutsche. Hinter einer Glaswand verstaut der ehemalige Boxmeister Waffen jeglicher Art, vom Krummsäbel bis zur Kalaschnikow.

Menschenrechtsorganisationen werfen Kadyrow und dessen Vertrauten vor, selbst allzu oft Gebrauch von Waffengewalt zu machen. Entführungen, Folter und Mord sollen auf das Konto von Kadyrow und seiner Leibgarde, den sogenannten Kadyrowzy, gehen. Im Westen ist der tschetschenische Präsident verpönt.

Das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung sieht in Kadyrow auch den Drahtzieher hinter dem Mord am Tschetschenen Umar Israilov in Wien (siehe "Lange Dienstwege und kein Asyl im Fall Israilov"). Einen Vorwurf, den der tschetschenische Präsident vehement verneint, als er schließlich um ein Uhr früh die Journalisten, darunter der Standard , in einem Sitzungssaal neben dem Wohnbereich empfängt.

"Wenn irgendwo eine Kuh verschwindet, dann wird sofort Kadyrow beschuldigt", sagt der 33-Jährige mit einem schiefen Grinsen. Kadyrow wirkt gelöst, kritzelt auf ein Blatt Papier und lacht immer wieder laut auf - besonders dann, wenn er mit einem Vorwurf konfrontiert wird. Er halte sich streng an das Gesetz der Russischen Föderation.

Höher als alles andere stehe nur der Islam. "Wer ein Feind des Islam ist, ist mein persönlicher Feind", sagt Kadyrow wiederholt. Damit Tschetschenien die friedlichste und stabilste Republik Russlands werde, müssten der Kaukaus und Russland von Banditen und Terroristen gesäubert werden.

Die Berichte der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial, wonach in Tschetschenien immer wieder Leute entführt werden und verschwinden, basieren laut Kadyrow schlicht und einfach auf "falschen Informationen". Viele Tschetschenen, die Memorial als entführt in der Statistik führt, seien ins Ausland ausgewandert.

"Memorial wird aus dem Westen finanziert und will Geld verdienen", lautet die Erklärung des Pferdeliebhabers, der nach einer Stunde wieder in der Dunkelheit verschwindet. (Verena Diethelm aus Grosny/DER STANDARD, Printausgabe, 29.4.2010)