Von Tageslicht dominierte Ausstellungshalle: Einblick in "Tradition und Avantgarde" mit Arbeiten von Franz Grabmayr, Gerhard Moswitzer, Hildegard Joos, Helga Philipp (von li. nach re.).

Foto: Museum Liaunig

Neuhaus (Suha) - "Der Weg zur Kunst ist hart gepflastert" , schrieb der Kurier im April vor 48 Jahren in einer Wegbeschreibung zur Galerie zum Roten Apfel: "Ein bekannter Sammler ist auf der Suche nach dieser Galerie schon einmal auf halbem Wege umgekehrt." In der damals noch recht übersichtlichen, von der Galerie Nächst St. Stephan und jener im Griechenbeisl dominierten Wiener Szene war die Zimmergalerie (1959- 1965) in Wien-Landstraße wichtiges Forum für Künstler und Strömungen abseits des Etablierten.

Herbert W. Liaunig war damals zwar noch kein bekannter Sammler, sondern Student der Wiener Hochschule für Welthandel, aber der Weg in die im Hinterhof versteckte Galerie war ihm sehr wohl bekannt. Nicht nur Drago J. Prelog, einer seiner ältesten Künstlerfreunde und Ratgeber, stellte dort aus, sondern auch viele andere Künstler, die heute Teil von Liaunigs beachtlicher Sammlung sind:Martha Jungwirth, Karl Anton Fleck, Harun G. Barrabas, Walter M. Malli und E. Thage.

"Die Galerieszene hat sich ganz langsam herausgebildet", erklärt Peter Baum, kuratorischer Berater des Museums Liaunig vor einer Wand mit Ausstellungsplakaten der 1960er-Jahre:"Damals wuchs Herbert Liaunig in diese Sammelfreude hinein." Und so ist die aktuelle Präsentation Tradition und Avantgarde - Kunst in Österreich 1945 bis 1980 auch eine Reise zurück zu den Anfängen einer Leidenschaft: Eine Herzensangelegenheit, die mit dem Ankauf eines Blattes von Arnulf Rainer begann und die er - wie Liaunig fast seufzend eingesteht - nie zurücklehnend genießen kann.

Schwerstarbeit Sammeln

So eine Sammlung ist Schwerstarbeit, an der ständig weitergestrickt werden muss: etwa am Ankauf eines Gemäldes von Wolfgang Hollegha. Dieser soll noch vor dem 1. Mai unter Dach und Fach sein, wenn der ins südkärntnerische Gelände versenkte Querkraft-Bau nach der Winterpause wiedereröffnet wird. Liaunig will nichts zeigen, was nicht Teil der Sammlung ist.

Rund 700.000 Euro jährlich investiert der Industrielle in Kunst. Um der wachsenden Bestände Herr zu werden, wurde Mitte April ein weiteres Depot mit rund 500 Quadratmetern fertiggestellt:ein Kuppelbau, der "aussieht wie das Pantheon und auch so heißt".

Sowieso viel Platz bietet der (inklusive Aussichtsterrassen)160 Meter lange Ausstellungsraum. Dort ist aktuell nur ein Bruchteil (etwa 350 von mehr als 2000 Werken) präsentiert: Eine Auswahl, so Liaunig, die ihm dieses Mal viel schwieriger gefallen sei, als repräsentative Arbeiten für die Museumseröffnung herauszupicken. 2008 habe er die gesamte Hängung gemeinsam mit seinem jüngeren Sohn Peter, einem Architekten, verantwortet und auch dieses Mal mit ihm gemeinsam begonnen: Allerdings habe "Peter Baum sehr gut interveniert". Die angestrebte rigide, kunsthistorische Ordnung wurde zugunsten einer ästhetischen Hängung aufgelockert. Links und rechts der Wurzel - Fritz Wotrubas Große stehende Figur von 1954 erscheint hier mehr als logisch - bahnt sich der Besucher einen tendenziell eher informellen, abstrakten und einen eher expressiveren, gestischeren Weg.

Dynamischer Abriss

Und zwischen den bekanntesten Größen - zwischen Max Weiler, Hermann Nitsch und Arnulf Rainer - auch Künstler, die der jüngeren Generation gänzlich unbekannt sind und für eine (Wieder-) Entdeckung empfohlen werden: etwa Rudolf Schönwald, Karl Hikade oder Felix Waske. An Dynamik gewinnt dieser historische Abriss, der trotz Fehlen der Phantastischen Surrealisten vollständig erscheint, durch die Stellwände, die dieses Mal im 45- statt im 90-Grad-Winkel arrangiert sind und so "überraschende Einblicke" gewähren.

Zu geradezu intimen Familien schließt sich die Kunst zusammen:Etwa Drago Prelogs Bauern-Schwitters (1976), ein aus 34.000 Zündholzschachteln zusammengesetzter archaischer Thron - für Liaunig ein "Conversation-Piece" . Und in der Tat dialogisiert es famos mit Arbeiten von Gerhard Moswitzer und Felix Waske. Ein Eckchen, das Peter Baum weniger konveniere, wie Liaunig verrät.

Auf ein anderes Eckchen angesprochen, schmunzelt Liaunig:Die putzigen, zum Teil aus alten Radioteilen zusammengesetzten Objekte im Schaudepot sind vom Salzburger Künstler Bernhard Resch, verrät er. Die habe sein Sohn dort platziert, um den älteren Bruder zu necken. Sammeln: auch ein spaßiges Familienvergnügen! (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe, 27.04.2010)