Auf den Spuren der Wirklichkeit: Thomas Desi.

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Wien - Ist es schon ein erster Fallstrick, wenn Thomas Desi sein aktuelles Musiktheaterprojekt Der polnische Orpheus im Untertitel "A Comic Opera" nennt? Nicht unbedingt:Wenn man das Groteske, Skurrile und Monströse als - wenn auch nicht gustiösesten - Teil der Komik ansieht, dann lässt sich die erzählte Geschichte sehr wohl als komisch im Sinne einer Ansammlung von Absurditäten verstehen.

Lustig ist der Hintergrund des Stücks dabei freilich nicht: Der polnische Orpheus ist nämlich keineswegs Chopin, um den es zwar auch geht und dessen 200. Geburtstag ja immerhin gerade - wenn auch nicht sehr auffällig - begangen wird. Vielmehr war es der nationalsozialistische Generalgouverneur Hans Frank, der sich selbst mit diesem Epitheton schmückte.

Seine Zeitgenossen hatten allerdings andere Beinamen für den vehementen Fürsprecher des Holocaust parat, der dann bei den Nürnberger Prozessen verurteilt und hingerichtet wurde:"König von Polen" die einen, "Judenschlächter von Krakau" die anderen. Was weniger bekannt ist:Frank hatte, wie viele oberste Nazis, einen dringlichen Hang zur Kultur. Zwar wollte er den "slawischen Barbaren" Kultur bringen, hatte aber selbst auch eine seltsame Affinität zur Kultur Polens.

Dass er dann mitten in der Phase des Untergangs das Projekt eines umfassenden Chopin-Museums verfolgte, war für Thomas Desi das Erstaunlichste an dieser Biografie - und Grund genug, ihn als Figur auf die Bühne zu bringen. Außerdem spielt das in der Warschauer Heilig-Kreuz-Kirche in einem Glas Cognac aufbewahrte Herz Chopins in Der polnische Orpheus ebenso eine Hauptrolle wie - unter anderem Namen - Ludmilla Berkwic. Die Pianistin war von Frank genötigt worden, in seinem Museum auf einem gestohlenen Flügel aus dem Besitz des Komponisten zu spielen - und wurde dann als Jüdin denunziert.

"Zerbombte Musik"

"Es geht eigentlich um Willkür, am speziellen Beispiel vorgeführt" , sagt Desi über das Projekt, das alle diese Fäden zusammenführt und dabei das Theatrale und Musikalische verknüpft - wie alle Arbeiten, die er im Rahmen seiner 1994 gegründeten und seit 2010 von einer Vierjahres-Projektförderung der Stadt Wien geförderten Musiktheaterplattform Zoon erarbeitet.

Auf der Ebene der Musik verwendet der 1967 geborene Komponist, Dirigent und Musiktheoretiker, der auch als Regieassistent unter anderem bei David Pountney arbeitete und etliche Projekte im Bereich Theatermusik, Musiktheater und Oper realisiert hat, vor allem zwei Elemente: Das sind zum einen "Nachtodkompositionen" , die dem britischen "Medium" Rosemary Brown angeblich vom verblichenen Komponisten diktiert wurden und die ein automatisches Klavier wiedergibt.

Zum anderen handelt es um die Préludes op. 28, die von einem Rock-Drummer interpretiert werden. Desi: "Ich bin dadurch erst draufgekommen, wie groovig Chopin oft ist. In den Préludes verfolgt er ja immer nur eine Idee. Wenn das vom Rock-Drummer gespielt wird, bleiben nur die Umrisslinien übrig, wie eine zerbombte Musik, die die melodische und harmonische Dimension verweigert. Es ist ein Versuch, mit ungleichen Mitteln zu spielen." (Daniel Ender, DER STANDARD/Printausgabe, 27.04.2010)