Von wegen "Mit Essen spielt man nicht!": "Brot oder Leben" von Johannes Deimling.

Foto: BBB Johannes Deimling, BREAD or ALIVE, 2004 © VBK, Wien 2010

Innsbruck - Mit Essen spielt man nicht! Das war lange ein Stehsatz im Erziehungsrepertoire. Aber was würde die Galerie im Taxispalais in Innsbruck zeigen, wenn Künstlerinnen und Künstler in den letzten vier Jahrzehnten nicht mit Lebensmitteln gespielt hätten? Einiges hätte es dann nie gegeben: die Fallenbilder von Daniel Spoerri etwa, dem großen Inspirator der Schau Eating the Universe.

Essen ist kommunikativ, Essen kann Feier des Lebens sein. Und zur sozialen Plastik werden wie bei Spoerri, der einst Dinnerüberreste fixierte. Im Essen vereinigen sich Anstrengung und Scheitern. Bewahren und Verrotten. Genuss und Ekel, Einverleibung und Abstoßung, Schönheit und anorexischer Hungertod. Letzteres wird bei Elke Krystufek überdeutlich in ihrem drastischen Bulimie-Video Vomitting. Lili Fischers Arbeiten daneben leben hingegen rein von der Aktion, überzeugen erst als Gewürzpredigt-Performances.

Anderes kommt als gravitätisches Spiel mit der Kunstgeschichte daher, schon im Foyer etwa Sonja Alhäusers Putti aus Butter und Ziehmargarine unter einem Kühlglassturz oder zwei Räume weiter von Dustin Ericksen und Mike Rogers: ein langer Tisch mit leeren Gläsern, Bechern, Flaschen, alle beschriftet mit Namen und Datum, ein neo-barockes Stillleben: Denn alles ist eitel, vergänglich und bereits ausgetrunken.

Kalorienarm bis unsinnlich

Einiges andere bleibt hingegen innerhalb des klug arrangierten Parcours im Kalorienarmen und Unsinnlichen stecken, manches ist arg harmlos. Wieso viele Arbeiten Christian Jankowskis als harmlos abgetan werden, zeigt sein Kochstudio. 2004 bat er Alfred Biolek in Berlin zum öffentlichen Kochen in einen Kunstverein, eben jenen Biolek, dem wir das grassierende Unwesen omnipräsenter Fernsehköche auf allen deutschsprachigen Fernsehkanälen verdanken. Das einzig Abgründige der auf Video festgehaltenen Aktion ist, dass man das Endergebnis nicht selbst verzehren muss.

Arpad Dobribans Gläserkollektion getrockneter Sauermilch bleibt im Konzeptuellen stecken, Jana Sterbaks Cakestool ist charmant absurd.

Eigentlich schöpft nur die Engländerin Anya Gallaccio das ganze sinnliche Spektrum aus. Gallaccios Stroke ist eine begehbare Raumzelle mit Fenster, innen bestrichen mit Schokolade, Geschmacksrichtung Edelbitter. Ein Gesamtkunstwerk aus Sehen und intensiv Riechen, nur schmecken sollte man unter der Hand, wenn die Aufsicht in die andere Richtung schaut.

Einen raffinierten Schlussstein liefert der Tiroler Thomas Feuerstein. Mit seiner Manna-Maschine II erfüllt er gleich mehrere Paradoxa mit Leben. Die ausgreifende Arbeit aus Acrylglasschleifen, einer großen Umwälzpumpe und Plankton, das durch die Glasschlingen blubbert, liegt dem Publikum zu Füßen. Zugleich aber auf dem Glasdach des Souterrains. Es ist ganz leise und hat scheinbar nichts mit Essen zu tun. Und doch erzählt es konkret davon.

Photosynthese löst eine Veränderung aus, das Plankton wird zu Algen, das Flüssige verfestigt sich zum Mythos vom Jungbrunnen und einem paradiesischen, anstrengungsfreien Ernährungskreislauf. Feuerstein wird nämlich die Algen ausfiltern, sammeln, trocknen und pulverisieren. Und das Pulver als Pigment für Bilder verwenden. Oder es weiterverarbeiten lassen zu Nahrung. Es wird Speisen und Getränken beigemischt, Kosmetika und Pharmazeutika. Es entsteht neue Schönheit. Neues Essen. Neue Kunst. (Alexander Kluy, DER STANDARD/Printausgabe, 24./25.04.2010)