Kinder ihrer Zeit: Barbara Rosenkranz (re.), Spitzname "Schneewittchen", 1976 neben dem Barkeeper des damaligen In-Lokals "Das Cafe" in Salzburg.

Foto: Kodak-Polaroid, privat

Mit der Authentizität von Bildern hat es in diesem Wahlkampf ja so seine Bewandtnis: Auf "Youtube" kursiert ein Video, das vorgeblich den Nachweis führt, dass Barbara Rosenkranz 1989 bei einer Veranstaltung des Holocaust-Leugners David Irving anwesend gewesen sei, was diese stoisch dementiert ("Das war ich nicht"). Auf Wikipedia wiederum findet sich eine Aufnahme, die Rosenkranz Seite an Seite mit Barbara Prammer zeigt und von Scherzbolden als Dokument für die Verleihung des Mutterkreuzes gedeutet wird. Tatsächlich handelt es sich bei dem in die Kamera gestreckten Kleinod um das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik, verliehen vom Bundespräsidenten und übergeben von der Nationalratspräsidentin 2007.

Dass das dritte Foto, von dem hier die Rede sein soll, noch keine Medienkarriere gemacht hat, liegt daran, dass es bisher in einem privaten Erinnerungsfundus - zwischen Marx' Gesamtausgabe, gusseisernen Lenin-Kopf und Warhols Mao hinter Glas versteckt war, zu dem auch wir nur per Zufall Zugang fanden - im Zuge einer kleinen Spurensuche in Salzburg, um Gerüchten über die angeblich "wilde Vergangenheit" der Barbara Rosenkranz, die so gar nicht in das Bild passen, das die FPÖ-Kandidatin von sich selbst entwirft, geschweige denn in jenes, das ihre Gegner an die Wand malen. Wer es gemacht hat, ist nicht mehr rekonstruierbar. Wohl aber, wen es zeigt und welcher Geschichte es seine Entstehung verdankt.

Wir schreiben das Jahr 1976, Kreisky-Ära, Zeit des Aufbruchs und des Umbruchs zwischen Wilhelm Reich, Flower Power und K-Gruppen-Revolution. In den Bundesländer-Metropolen keimen erste Vorboten dessen, was man später einmal "Szene" nennen sollte. "Das Cafe" in der Salzburger Altstadt war einer davon: Treffpunkt von Studentenbewegten, Künstlern und Bohemiens - "Schluckspechte allesamt, die nichts ausgelasssen haben".

Im Zentrum des Geschehens: Barkeeper Günther S., genannt "Schebi", "Bel Ami" Dieter S., Lebenskünstler und "Liebling der Frauen", vor allem aber Barbara, vulgo "Babsi" Schörghofer (nachmals Rosenkranz): "Eine dunkelhaarige Schönheit, Schneewittchen-Typ mit sanften Augen und langer Ausdauer bei den fast allnächtlichen Umtrunken", erzählen Günther und Dieter, mit dem sie anfangs lange Zeit liiert war. Bis eines Tages - "ich war grad bei der Fußball-WM in Argentinien" - plötzlich "der Horstl" (Horst Jakob Rosenkranz) in die vordere Reihe - und an Babsis Seite tritt.

Nur schade, sagt Günther, dass es von ihm aus der Zeit keine Fotos gibt: "Er war eine Mischung aus Künstler und Strizzi, Baskenmütze neckisch ins Gesicht geschoben, Halstüchl, Giletl, Silberketteln." - "Ein fescher Abenteurertyp", schwärmt Eva M., Barbaras Vorgängerin in Horstls Gunst noch heute - "ein Späthippie, aber rechtsradikal?"

Einziger greifbarer Hinweis: Schluckspecht Harry, von B&H während einer mehrwöchigen Indien-Reise (oder war es Afghanistan?) zum Schlüsseldienst eingeteilt, entdeckt beim Blumengießen auf Horstls Schreibtisch eine wurmstichige Hitler-Büste. Auch die Haustiere sind ideologisch nicht wirklich ergiebig: Der Vorgänger des deutschen Schäferhunds "Greif", der heute durch das Rosenkranz-Anwesen in NÖ streift, war damals eine szenebekannte Promenadenmischung namens "Wurscht". Babsis Katzen "Lola" und "Teschek" stammten noch aus der Dieter-Ära und galten nach diversen Sitter-Erlebnissen mit Günter S. als eher maoistisch orientiert.

Jedenfalls ist die Babsi dann nicht mehr sooft ins Lokal gekommen, der Horstl detto - und irgendwann, so Ende '78 waren sie von der Salzburger Bildfläche plötzlich verschwunden. Die letzte Eintragung auf Dieters Festplatte datiert aus 1980: "Komm ich ins Cafe Basar, und wen seh ich da - den Horstl und die Barbara." Die Begegnung sei aber nur flüchtig gewesen, weil "sie im Dirndl, er in der Krachledernen, und Sprüche geklopft - frage nicht". Der Rest ist in den offiziellen Biographien nachzulesen. Keiner aus der "Cafe"-Clique kann sich den Sinneswandel erklären.

Um ganz sicher zu gehen, bitten wir daher "Babsi" um eine Authentifizierung der "Schneewitchen" -Episode. "Stimmt", sagt sie, das Bild nicht ohne einen Anflug von Sentimentalität betrachtend: "Schneewittchen war damals sogar mein Spitzname. Und der da links - ist das nicht der Schebi?" Als quasi offizielle Bildunterschrift gibt sie zu Protokoll: "Lokalname 'Das Cafe', studentisches Milieu, sehr bunt, hier habe ich meinen Mann kennengelernt." Als Bruchlinie gegenüber ihrer heutigen Lebensauffassung will sie das aber nicht gewertet wissen, habe sie doch "das Glück gehabt", durch ihre frühe Mutterschaft (20) "geerdet zu werden" und ihre Persönlichkeitsentwicklung dann konsequent vorangetrieben zu haben. "Brüche gab es da keine, ich muss Sie enttäuschen." Ihre einstigen Weggefährten sehen das anders. Nachtrag: "Bel Ami" Dieter S. (57), ist kurz nach unserem Gespräch gestorben. Rosenkranz‘ Wahlkampfbus machte an jenem Tag gerade in Salzburg Station. Wie das Leben so spielt. (Mischa Jäger, DER STANDARD, Printausgabe, 24./25.4.2010)