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Der Rücktritt eines römischen Kaisers war ungefähr so wahrscheinlich wie der eines Papstes. Entsprechend rar sind Pontifex-Demissionen in der Geschichte der Menschheit. Wären Papst- oder Kaiser-Pension ein erstrebenswertes Ziel gewesen - wer weiß, vielleicht gäbe es entlang des Mittelmeers Küsten mehr eindrucksvolle Zeugnisse imperialer "Auszugshäuseln".

Wobei das eine glatte Untertreibung ist, denn jenes des Diokletian im dalmatinischen Split ist ausnehmend prächtig ausgefallen. Sein Palastbau gehört mit Sicherheit zu den interessantesten Zeugnissen einer gleichermaßen visionären wie verrückten Regentschaft der ausklingenden Soldatenkaiserzeit. Zwar bewährte sich die von Diokletian in den 380er- Jahren nach Christus zwecks effizienter Verwaltung des unregier- und angreifbar gewordenen Riesenreiches verordnete Tetrarchie (de facto teilte eine Viererbande das damals noch unheilige Römische Reich unter sich auf) nicht, aber bei der Wahl seines Alterssitzes bewies der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Dalmatiner Diokletian Weitsicht.

Im Müll konserviert

Wären die tiefen Keller mit ihren ausgeklügelten Gewölben, Lagerräumen, Wasser- und Abwassersystemen über die Jahrhunderte nicht zugemüllt worden, die Nachwelt wüsste nicht, wie luxuriös der gut 30.000 Quadratmeter große, rechteckige Palaèa angelegt war. An der traumhaften Riva gelegen, hielt er Diokletian selbstverständlich auch den Rücken offen für die Flucht übers Meer.

Heute flüchten die Menschen durch dieses Tor vor dem Gewimmel am Kai in die (1979 zum Weltkulturerbe erklärte) Altstadt von Split, einer einmaligen Mischwelt aus antiken, frühchristlichen, byzantinischen und mittelalterlichen Bauten und Plätzen, denen auch Venezianer, Habsburger und natürlich Titos Kommunisten ihre Stempel aufdrückten.

Dass das Mausoleum des legendären Christenverfolgers just zur katholischen Kathedrale umgebaut wurde, mag eine Ironie der Geschichte sein. Die hohe Lebensqualität und den Schutz der residenzialen Gemäuer wusste freilich auch das gemeine Volk zu nützen. Die Spalatiner trugen Diokletians Palast nicht ab, sondern klebten über die Jahrhunderte dicht an dicht Häuser an die Mauern, bauten Läden und Märkte und bemächtigten sich so des - aus der Vogelperspektive wie ein harmloses mittelalterliches Städtchen aussehenden - Schatzes auf der vom Meer umspülten Landzunge.

Ein Spaziergang durch die engen Gässchen wird so zu einem Wechselbad an Gefühlen und Eindrücken, spiegeln die Häuschen - teils gefühlvoll restauriert, teils in lausigem Zustand ihrer aufwändigen Renovierung harrend - doch epochale Veränderungen wider.

Der große Stolz der Kroaten ist übrigens die Krawatte, kunstvoll geschlungenes Tuch, das erst der französische Kardinal Richelieu exzellent zu vermarkten wusste. Sie eroberte von Paris aus der Männer Hälse.
Tritt man aus dem Palast, präsentiert sich die 200.000 Einwohner zählende Stadt Split weltbürgerlich. Ein breiter Boulevard, vor dem Yachten ankern, ausladende Cafés, gesäumt von (neo-)klassizistischen Palais nach Ringstraßenart, die ab und an von Säulen-umrandeten venezianischen Piazzen durchbrochen werden. Auch eine Art von Selbstverwirklichung.

Keinesfalls entgehen lassen sollte man sich Abstecher auf die vorgelagerten Inseln Braè (die große dicke mit den berühmten Steinmetzen für das Weiße Haus) und Hvar. Beide könnten kontrastreicher nicht sein: Von abschreckend touristischen Badeorten mit den ihnen typischen Konobas bis zu entlegenen Hirtendörfern, in denen urtümliche Lebensart und Kulinarik erhalten blieb. Im Gegensatz zur sandigen Adria in Italien sind die Buchten hier glasklar, von Felsen durchsetzt - ideales Biotop für gar köstliches Meeresgetier, das direttissima in der Pfanne landet.

Zu einem Schock gereicht freilich, das sei nicht verschwiegen, der Blick von der Fähre auf den Gürtel aus kommunistischen Plattenbauten, der das historische Split umzäunt und überlagert. Deshalb empfiehlt sich ein Quartier in der Umgebung von Split, zum Beispiel im 15 Minuten (mit Auto oder Bus) südlich gelegenen Podstrana, wo es sich in Vor- und Nachsaison sehr gut und günstig nächtigen (auch mit Spa) lässt. (Luise Ungerboeck/DER STANDARD/Album/Printausgabe, 23./24./4.2010)