Die Waffen des Experten: Alexander Graf Strasoldos Auge und ein UV-Handstrahler haben Frans Franckens Höllensequenz im Visier.

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Zaungast bleibt Zaungast, wer im Bild steht wird von internationalen Kamerateams aus selbigen zu treten ersucht. Selbst wenn man Michael Haneke heißt und der vielfach ausgezeichnete Regisseur den Blick auf das zu verewigende Kunstwerk verstellt. Ob Haneke im Dorotheum dieser Tage einer heimlichen Kunstleidenschaft frönte oder aber den klassischen Location-Check eines Drehbuchautors absolvierte, ist nicht bekannt. Erste Reihe fußfrei verfolgte er das an Dramaturgie kaum zu überbietende, für österreichische Verhältnisse untypische Gemetzel um eines der Hauptwerke von Frans Francken II. Zwischen 400.000 und 500.000 Euro sollte das Himmels- und Höllenszenario Der Mensch zwischen Tugend und Laster wohl bringen. Fehlanzeige.

Fünf der übers Telefon zugeschalteten Bieter hatten am späten Mittwochnachmittag schnell das Nachsehen. Bei 2,5 Millionen Euro hatte man den bisherigen Künstlerrekord (1999, Christie's, Die Gemäldegalerie, brutto 1,31 Mio. Euro) längst in der Tasche und lieferten sich Martin Böhm, Chef des Dorotheums, mit seinem Mitarbeiter Philipp Freiherr von Hutten, ein Duell. In 100.000-Euro-Schritten lüpften die beiden ihre Täfelchen.

Der Bieter Nummer 129 ging als Verlierer vom Platz, das siegreiche Gebot (Nr. 133) blieb an diesem Abend Chefsache: 7,02 Millionen Euro ließ der Londoner Altmeisterhändler Johnny Van Haeften für das um 1635 gemalte Figurenstück springen. Ob im Auftrag eines Privatsammlers, eines Museums oder eines Händlerkonsortiums ist nicht bekannt. Vergangenes Jahr hatte Van Haeften gemeinsam mit Otto Naumann und Konrad Bernheimer bei Sotheby's Hendrick Ter Brugghens Der Dudelsackspieler für 10,16 Millionen Dollar ersteigert, nur um es anschließend für einen unbekannten Betrag an die National Gallery in Washington weiterzuverkaufen. Dass dem Dorotheum in den nächsten Wochen eine regelrechte Franckenmania bevorsteht, ist gesichert. Bereits am nächsten Tag trudelten frühmorgens die ersten Angebote ein: "Hören Sie, ich hätte da einen Francken, könnte ich den heute vorbeibringen?"

Die epigonale Spreu vom authentischen Weizen zu trennen wird Sache der Experten bleiben, die Entscheidung des individuellen Wertes eines Kunstwerkes trifft ohnedies der Markt. Und der gab diese Woche insofern ein kräftiges Zeichen, als das Dorotheum mit dieser Performance im mitteleuropäischen Raum endgültig keine Konkurrenz mehr hat.

Jenen Neidgenossen, die Österreichs Status als Absatzplatz für Alte Meister gerne als Kap der letzten Hoffnung zu bezeichnen pflegten, gehen mittlerweile die Argumente aus. 13,89 Millionen Euro sprechen für sich. Das ist der höchste jemals hierzulande in einer einzelnen Auktion erzielte Umsatz, hausinterner Rekord soundso. Insofern fristen die ebenfalls diese Woche erzielten Resultate der anderen Sparten (4,22 Mio., neue Bestmarke Gemälde des 19. Jh.) oder Auktionshäuser ein undankbares Schattendasein.

Eine vergleichsweise bittere Pille in Form rückläufiger Nachfrage musste "im Kinsky" schlucken. Mit 3,25 Millionen blieb die 78. Kunstauktion deutlich hinter den Mindesterwartungen von 4,3 Millionen zurück. (Olga Kronsteiner, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 24./25.04.2010)