Der Vorstoß ins Eigentliche: "Brain Surgeon" des türkischen Künstlers Ali Kazma aus dessen Videoserie "Obstructions" in der Ausstellung "Tactics of Invisibility".

Foto: Thyssen-Bornemisza Art Contemporary

Wien - Ob Geister aus taktischen Gründen zum Mittel der Unsichtbarkeit greifen oder bloß Schwierigkeiten haben, sich selbst zu verkörpern, und deshalb zu den uns Beleibten Schauder erregenden Mitteln greifen, um sich zu manifestieren, ist ungewiss. Fotografiert zu werden könnte womöglich ihre charakteristische Ruhelosigkeit irritieren. Dritten gegenüber geben sie sich als denkwürdige Licht- oder unangebrachte Tonerscheinung zu erkennen.

Einem Kollektiv gegenüber existieren sie nur als Erzählung, die meist mit einem speziellen Ort verknüpft ist, etwa dem Palais Erdödy-Fürstenberg, dem jetzigen Sitz von Francesca Habsburgs Thyssen-Bornemisza Art Contemporary: Dort soll ein Mädchen umgehen, der Geist der Gräfin Erdödy. Der hatte einst Ludwig van Beethoven den kleinen Kanon Glück, Glück zum Neuen Jahr auf den Leib geschrieben; aus Begehr, wird vermutet. Egal, jedenfalls hat das die Gräfin bis heute unrund gemacht - und Ayºe Erkmen zu einer Installation veranlasst. Der Ghost ist jetzt immer da. Direktionale Lautsprecher und helle Lampen sorgen für die Präsenz der zarten Erscheinung mit der Sopranstimme auch bei noch so großem Andrang Schaulustiger.

Tactics of Invisibility zeigt fünfzehn Positionen aus der Türkei (womit immer auch deren Diaspora gemeint ist). Der Bezug auf Begriffe wie Unsichtbarkeit, Abwesenheit und diverse Praktiken von Rückzug und Tarnung knüpft die Arbeiten locker aneinander. Da wird etwa auf dem Dachboden - auf Video gebannt von Kutlug Ataman - von zum Teil recht konkreten Erinnerungen an frühere Leben berichtet. Das funktioniert nur im Fall eines gewaltsam erlittenen Todes im Vorleben und am besten für Schiiten aus der Südosttürkei. Sechs derart Begabte geben Interviews zum Thema. Die Installation heißt folgerichtig Twelve.

Ganz andere Geister erscheinen im Betrachterhirn, wenn Ahmet Ögüt die Kamera durch die Davis-Monthan-Air-Force-Base in der Wüste von Arizona fahren lässt. Das ist eine Art Fluzeugfriedhof. Ögüt zählt die Kriegsgeräte und wechselt dabei vom Kurdischen über das Türkische ins Englische. Die Flotte träumt derweilen von so gut wie allen Kampfschauplätzen seit dem Zweiten Weltkrieg - und vielleicht von einem Comeback.

Zunächst brachiale Methoden fordern auch menschliche Problemzonen. Ehe der Neurochirurg mit der Feinarbeit beginnt, will ordentlich gestemmt werden - das Denkzentrum lagert gut gebunkert hinter seiner Maske Gesicht. Ali Kazma zeigt den Vorstoß des Brain Surgeon ins Eigentliche als Teil seiner Videoserie Obstructions. Parallel läuft ihr zweiter Part: Clock Master. Da schaut ein Uhrmacher hinters Ziffernblatt.

Störungsanfällig scheinen auch Haremsdamen zu sein. Inci Eviner hat den Stich eines Harems aus dem 18. Jahrhundert animiert, die Damen im Gebäude zum Leben erweckt. Bloß tun die nicht, was gemeine Fantasie von ihnen erwartet. Anstatt sich körperpflegend bereitzuhalten, üben sie absurde Gesten ein. (Markus Mittringer, DER STANDARD/Printausgabe 22.4.2010)