SPÖ und ÖVP steuern in der Frage des Vorsitzes im ORF-Stiftungsrat auf eine Patt-Situation zu. Am Mittwoch gab es vorerst keine Einigung auf einen gemeinsamen Kandidaten, weitere Gespräche waren im Laufen. Die Meinungen, wer am Donnerstag zum neuen Stiftungsratsvorsitzenden gewählt werden soll, gingen sowohl zwischen SPÖ und ÖVP, als auch zwischen den Parteien und ihren "Freundeskreisen" im obersten ORF-Gremium auseinander. Die besten Chancen auf den Vorsitz werden den unabhängigen Kandidaten Alexander Hartig und Franz Küberl sowie der SP-nahen Brigitte Kulovits-Rupp eingeräumt.

Nachdem SPÖ und ÖVP bisher dezidiert ausgeschlossen hatten, ein deklariertes Mitglied des jeweils anderen "Freundeskreises" zu wählen, kam man bisher auch bei den beiden möglichen Kompromisskandidaten Alexander Hartig und Franz Küberl zu keinem Konsens. Bei Hartig, der als Konservativer gilt und in "Krone"-Leserbriefen und -Gastkommentaren wiederholt Kritik am linken politischen Spektrum äußerte, gibt es in Teilen der SPÖ beziehungsweise unter SPÖ-Stiftungsräten massive Vorbehalte. Der Parteiflügel der ÖVP setzt hingegen voll auf Hartig und kann sich mit Caritas-Präsident Küberl nicht anfreunden. Seit Caritas-Generalsekretär Stefan Wallner im November als Bundesgeschäftsführer zu den Grünen gewechselt ist, steht die kirchliche Hilfsorganisation bei der ÖVP offenbar unter politischem Generalverdacht, war am Mittwoch zu hören. Auch Küberls bisheriges Stimmverhalten im ORF-Stiftungsrat wird in der ÖVP kritisch gesehen. 

Hoffnung auf Einigung

Unter Stiftungsräten hofft man unterdessen immer noch auf eine Einigung in der "hohen Politik". Der ORF brauche in den kommenden "Entscheidungsjahren" einen handlungsfähigen Stiftungsrat, hieß es aus dem obersten ORF-Gremium. "Wesentliche Punkte wie Strukturreformen, neuer Standort oder die Zukunft des Programms stehen an. Der ORF kann in dieser Zeit keine Spaltung des Stiftungsrats brauchen." Anders als in der Partei will man sich unter VP-nahen Stiftungsräten in der Frage Hartig oder Küberl nicht festnageln lassen. Klar ist nur, es soll ein Unabhängiger werden.

Sollten die Anstrengungen um eine konsensuale Lösung nichts fruchten, dann droht eine Kampfabstimmung. Beste Chancen auf den Vorsitz hätte dabei die burgenländische Arbeiterkämmerin Brigitte Kulovits-Rupp, die in diesem Fall vom SPÖ-"Freundeskreis" ins Rennen geschickt werden soll. Sie könnte mit 18 bis 20 Stimmen der 35 Stiftungsräte rechnen und käme damit auf die nötige Mehrheit. Mit Kulovits-Rupp stünde auch erstmals eine Frau an der Spitze des ORF-Stiftungsrats. Vorbehalte gibt es freilich auch hier, weil bereits der ORF-Publikumsrat von einem AK-Vertreter geleitet wird. Auch mögliche Unvereinbarkeiten bei weiterem möglichen ORF-Personalabbau werden ins Treffen geführt.

Für den ORF wäre eine Kampfabstimmung zwischen den Regierungsparteien allerdings fatal. ORF-Gesetz und 160 Millionen aus der Gebührenrefundierung könnten bei einem Drüberfahren der SPÖ über die ÖVP wieder wackeln, hört man, und auch für kommenden Strukturreformen und die Standortfrage fehlte dann voraussichtlich breite Unterstützung.

Keine Festlegung

Bei den Stiftungsräten der anderen Fraktionen wollte man sich am Tag vor der Wahl noch nicht festlegen. Der Freiheitliche Norbert Steger will zunächst die Vorschläge der beiden großen Fraktionen abwarten. Er kündigte an, dass man sich in der Dreier-Gruppe BZÖ (Huberta Gheneff-Fürst), FPK (Siggi Neuschitzer) und FPÖ koordinieren werde. Gheneff-Fürst bekundete Vorbehalte gegen Küberl und attestierte dem Caritas-Präsidenten eine Nähe zum Styria-Medienkonzern. Küberl sei 1997 einer der Stifter der "Katholischer Medienverein Privatstiftung" gewesen, die seither Mehrheitseigentümer der Styria Media Group ist. Die Causa wurde freilich bereits vor Jahren von Juristen rechtlich geprüft, eine mögliche Unvereinbarkeit konnte dabei nicht festgestellt werden. (APA)