Je länger die Krise andauert, desto schärfer wird der Kampf ums Geld. Vor allem der zu- nehmende Bedarf von Staaten an Krediten könnte ernsthafte Folgen für die Weltwirtschaft haben, warnt der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem am Dienstag vorgestellten Bericht zur Stabilität des Finanzsystems.

Zwar hat sich die Situation in der Bankenwelt entspannt: Im neuen Bericht schätzt der IWFdie krisenbedingten Verluste im globalen Bankensystem auf 2300 Milliarden Dollar, im letzten Report im Oktober waren es 500 Milliarden mehr. Doch das Aufatmen könnte nur von kurzer Dauer sein. Im IWF befürchtet man eine Zunahme der Kreditknappheit, die Klein- und Mittelbetriebe teils jetzt schon zu spüren bekämen. Verschärft wird sie durch den großen Finanzierungsbedarf der öffentlichen Kassen und der krisenbedingten Schwächung des Bankwesens. "Das könnte Zinssätze nach oben treiben und den Druck auf Banken erhöhen", warnt der IWF. "Höhere Staatsschulden haben das Potenzial, die Finanzstabilität zu gefährden."

Doch die Problemspirale geht noch weiter: Viele Staaten zahlen derzeit besonders hohe Risikoaufschläge an den Märkten für Geld. Traditionell steigen damit auch die Refinanzierungskosten der Firmen. Alles in allem sei die Krise im November 2009 in die vierte Phase eingetreten: Auf den Aufbau der Kreditblase (Phase I) und ihrem Platzen (Phase II) folgten die staatlichen Rettungsaktionen (III). Inzwischen dreht sich alles um mögliche Staatspleiten. "Griechenland ist bei weitem nicht das einzige Problem" , meint IWF-Experte José Viñals. Er befürchtet, dass die Finanzkrise aufgrund der hohen Staatsverschuldung in die Länge gezogen und die Konjunkturerholung untergraben wird.

Überholt scheinen Berechnungen von Ökonom Ken Rogoff, der nachgewiesen hat, dass die Verschuldung infolge von Finanzkrisen historisch um durchschnittlich 86 Prozent gestiegen ist. In Ländern, die besonders hart vom Absturz getroffen wurden, hat sich das Obligo verdreifacht, geht aus einer kürzlich gemachten Studie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hervor.

Experten gehen davon aus, dass die Auswirkungen auf die Finanzlage der Staaten weit gravierender sein werden als in früheren Abschwüngen, weil Wachstum und Beschäftigung "auf absehbare Zeit nicht das Vorkrisenniveau erreichen werden" . Hinzu kommen Probleme durch Alterung der Gesellschaften in der westlichen Welt. Steigende Pensions-, Gesundheits- und Pflegeausgaben führen ohne Gegensteuerung langfristig zu einer Explosion der Verschuldungsraten auf gut 300 Prozent der Wirtschaftsleistung, Spitzenreiter Japan schafft bis 2040 sogar 600 Prozent.

Die BIZ hat auch errechnet, wie viel die Staaten jährlich bis 2020 an Primärüberschuss (ohne Zinsaufwand) erwirtschaften müssen, um die Schuldenquote bei steigenden Ausgaben für Tilgung und Alterung auf das Niveau von 2007 zu senken. Österreich schneidet mit erforderlichen drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) noch gut ab, wenngleich diese Vorgabe mit dem Budgetplan in weiter Ferne bleibt. Großbritannien, Irland und Japan müssten sogar mehr als fünf Prozent der Wirtschaftsleistung an Primärüberschuss erzielen.

Im Gegensatz zu den alten Industrienationen wachsen die Schwellenländer nicht nur rasant, sie haben auch weit geringere Budget- und Alterungsprobleme. Die Zwickmühle des Westens:Höhere Steuern oder Ausgabenkürzungen werden die Erholung weiter bremsen und zu einer Welt der zwei Geschwindigkeiten führen. Die besseren Aussichten in den Emerging Markets leiten wiederum Investitionsströme nach China, Indien oder Brasilien, wodurch der Abstand zum Westen zusätzlich steigt.

Ausgelöst wurde die Spirale durch Bankenrettung und Konjunkturpakete. Heute betrachtet so mancher Ökonom die Interventionen skeptischer:"Es ist schwachsinnig, wenn eine Krise, die durch Schulden ausgelöst wurde, mithilfe enormer Verschuldung der Staaten bekämpft wird" , meint etwa Nouriel Roubini. (DER STANDARD, Printausgabe, 21.4.2010)