Einige Daten sollen veröffentlicht werden. Rätsel gibt der dritte Flugschreiber auf.

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Schreie des Entsetzens hörten polnische und russische Staatsanwälte auf den Tonbändern eines der Flugschreiber. Diese Aufnahme aus dem Cockpit des polnischen Präsidentenjets soll allerdings nicht veröffentlicht werden, wie einer der Staatsanwälte gegenüber der Tageszeitung Dziennik - Gazeta Prawna erklärte. Die polnisch-russische Expertengruppe untersuchte bisher gemeinsam in Moskau zwei der insgesamt drei Flugschreiber der Unglücksmaschine, die vor einer Woche im westrussischen Smolensk abstürzte. "In den letzten Sekunden der Aufnahme nimmt der Lärm aus der Passagierkabine so stark zu, dass er bis zu den Piloten durchdringt. Am Ende hörten wir nur noch einen unmenschlichen Schrei voll Entsetzen und Schmerz" , zitiert Dziennik den polnischen Staatsanwalt.

Andrzej Seremek, Polens Generalstaatsanwalt, will zwar die Gesprächsprotokolle der Piloten untereinander wie auch der Piloten mit den Fluglotsen im Tower von Smolensk grundsätzlich veröffentlichen lassen. Allerdings mit Einschränkungen. "Intimes" solle ebenso wenig publiziert werden wie die Entsetzensschreie im Angesicht des Todes.

Zwei der drei Flugschreiber zeichneten einige technischen Daten auf, vor allem aber die Gespräche im Cockpit. So wurde bereits bekannt, dass die Tupolev TU-154M technisch in einwandfreiem Zustand war und es zu keinem Zeitpunkt des Fluges zu einem Motorausfall oder einer anderen technischen Störung gekommen war.

Kein Ausweichmanöver

Bekannt wurde bereits auch, dass die russischen Fluglotsen mehrfach davor warnten, bei dem dichten Nebel eine Landung in Smolensk zu riskieren. Sie empfahlen stattdessen, einen Ausweichflughafen anzusteuern. Der nächstgelegene wäre Witebsk in Weißrussland gewesen. Die polnischen Piloten hätten aber versichert, dennoch landen zu wollen.

Der dritte Flugschreiber, der in Polen hergestellt wurde, zeichnete auf insgesamt 80 Kanälen technische Parameter auf. Sie können bis zu 50 Stunden zurückverfolgt werden. Außerdem scheint dieser Flugschreiber auch Gespräche im Passagierraum aufgezeichnet zu haben, die bis zu zwei Stunden zurückverfolgt werden können.

Landen oder zurückfliegen?

Nach Aussagen der früheren polnischen Präsidenten Lech Walesa und Aleksander Kwasniewski ist es üblich, dass bei extrem schlechten Wetterbedingungen einer der Piloten aus dem Cockpit in den dahinterliegenden Salon kommt und den Präsidenten fragt, was in dieser Situation zu tun sei. Im Fall der Unglücksmaschine war die Frage: "Landen, zurückfliegen oder ausweichen?"

Die Antwort müsste Präsident Lech Kaczynski gegeben haben - und sie müsste auch aufgezeichnet worden sein. Polens Generalstaatsanwalt Andrzej Seremek hat bisher aber kein Wort über diesen dritten Flugschreiber verloren, der in Warschau ausgewertet wird. Am kommenden Donnerstag sollen vorerst nur die Gespräche der Piloten veröffentlicht werden, die auf den ersten beiden Flugschreibern festgehalten sind. (DER STANDARD, Printausgabe 20.4.2010)