Jiegu - Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao hat am Sonntag das Erdbebengebiet im tibetischen Hochland besucht, um sich ein Bild von den Zerstörungen und der Lage der Obdachlosen zu machen. Wegen des Erdbebens hatte der Präsident eine Reise durch Lateinamerika verkürzt und war vorzeitig nach China zurückgekehrt.

Vier Tage nach dem verheerenden Beben der Stärke 7,1 stieg die Zahl der Toten auf 1484. Unter den Trümmern wurden noch mehr als 300 Menschen vermisst, wie die Einsatzzentrale in der Präfektur Yushu im Süden der Provinz Qinghai berichtete. Mehr als 12 000 Menschen wurden verletzt, 1394 davon schwer. Hunderte Verletzte wurden ausgeflogen.

Die Hilfe für die zehntausenden Obdachlosen gestaltete sich schwierig, weil das weit abgelegene Erdbebengebiet an der Grenze zur Autonomen Region Tibet nur mühsam zu erreichen ist. Viele verbrachten eine dritte Nacht bei eisigen Temperaturen im Freien. Es mangelte an Nahrung, Trinkwasser, Zelten und medizinischer Versorgung.

Rund 25 000 Zelte, 52 000 wattierte Decken, 16 000 Mäntel und 850 Tonnen Nahrung seien allerdings bis Sonntag im Erdbebengebiet eingetroffen, berichtete in Peking das Verwaltungsministerium.

Angst vor Plünderungen

Nach dem verheerenden Erdbeben wächst die Angst vor Plünderungen. Die Polizei verstärkte am Samstag die Sicherheitsvorkehrungen insbesondere an den Orten, wo Hilfsgüter für die Bevölkerung ausgegeben wurden. "Wir werden mit aller Schärfe die Plünderung von Hilfsgütern und den Diebstahl des Eigentums von Opfern verfolgen", erklärte der stellvertretende Polizeichef der Provinz Qinghai, Liu Tianhui, bei einer improvisierten Pressekonferenz in einem Zelt. Derzeit sei die Situation allerdings stabil.

Das Beben am Mittwoch, das nach Angaben des chinesischen Erdbebenzentrums eine Stärke von 7,1 hatte, kostete nach jüngsten Berichten staatlicher Medien 1.339 Menschen das Leben. Rund 330 werden noch vermisst. Fast 12.000 Menschen wurden verletzten, knapp 1.300 davon schwer.

Brechen mit Bestattungstraditionen

Wegen der hohen Zahl von Toten brechen die Tibeter, die in dem Gebiet einen großen Teil der Bevölkerung stellen, zunehmend mit der Tradition der sogenannten Himmelsbestattungen und verbrennen die Leichen zu hunderten. Die Tradition sieht eigentlich vor, Leichname zu zerstückeln und sie dann den Geiern zum Fraß vorzuwerfen. Dies sei einfach nicht mehr möglich, erklärte ein tibetischer Mönch und fügte an: "Die Geier können sie nicht alle essen." Es gebe nicht genug Geier für all die Leichen. "Die Leichen werden schnell sehr schmutzig, und das ist nicht gut für die Seelen, die in Frieden ruhen sollen", sagte der Mönch.

Angesichts des Ausmaßes der Katastrophe hat das geistliche Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama, am Samstag von seinem indischen Exil aus erklärt, er würde gerne in das Katastrophengebiet reisen und seinen Landsleuten Trost spenden. Von der chinesischen Regierung kam zunächst keine Reaktion. Der Dalai Lama war 1959 nach einem fehlgeschlagenen Aufstand der Tibeter gegen die chinesische Herrschaft aus seiner Heimat geflohen und durfte seitdem nie wieder zurückkehren. Trotz seiner angespannten Beziehungen zu den kommunistischen Machthabern in Peking dankte der Dalai Lama den chinesischen Behörden und namentlich Ministerpräsident Wen Jiabao für ihre schnelle Reaktion auf das Erdbeben. (APA)