Keiner will Gentechnik, ist Marie-Monique Robin überzeugt.

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Standard: Liest man Ihr Buch oder sieht man Ihren Film, bekommt man den Eindruck, genmanipulierte Pflanzen wären das Werk des Teufels und die amerikanische Firma Monsanto, die sie herstellt, der Teufel selbst. Gibt es denn nichts Positives an der Biotechnologie?

Robin: Es gibt zwei Aspekte: einerseits die Biotechnologie, die im Labor passiert und dazu dient, neue Medikamente zu entwickeln. Daran ist nichts auszusetzen. Und andererseits die genmanipulierten Pflanzen im Feld. Die dienen nur dem Gewinn der Agrarindustrie - und nicht den Konsumenten, nicht den Bauern und nicht der Umwelt.

Standard: Ein oft vorgebrachtes Argument für genmanipulierte Pflanzen ist, dass die Erträge der Pflanzen höher sind und wir mehr Erträge brauchen, um die rasant wachsende Weltbevölkerung zu ernähren.

Robin: Das ist eine Lüge. Erstens produzieren wir mehr als genug Lebensmittel - das gibt sogar die FAO zu. Das Problem liegt vielmehr in der Verteilung der Nahrung und in den Marktsystemen. Man müsste zuerst darauf achten, dass die Bauern besser verdienen und keine Subventionen mehr brauchen. Lebensmittel sollten zu ihrem rechten Wert bezahlt werden. Zweitens hat eine Firma wie Monsanto mit der Ernährung der Weltbevölkerung aber auch rein gar nichts am Hut.

Standard: Was ist mit geringerem Input? Oft wird angeführt, dass genmanipulierte Pflanzen weniger Wasser, Platz, Pflanzen- und Insektenschutzmittel brauchen.

Robin: Auch das ist eine Lüge. Pflanzen und Insekten bauen Resistenzen auf. Dadurch braucht man immer mehr Input und Chemie, um aus den ausgelaugten Böden überhaupt etwas zu holen. In dem Fall besteht überhaupt kein Unterschied zur konventionellen Landwirtschaft. Das einzig Neue an der Dritten Grünen Revolution - wie man sie nennt - ist, dass es jetzt Patente gibt. Die Bauern dürfen ihre Samen nicht behalten, sondern müssen sie jedes Jahr neu kaufen - und zwar von Monsanto.

Standard: Nun sind gentechnisch veränderte Organismen längst unter uns. Unser Vieh wird mit ihnen gefüttert, und gerade erst hat die EU eine genmanipulierte Kartoffel zum Anbau freigegeben.

Robin: Letzteres erklärt sich dadurch, dass auch das Komitee, das die EU in Sachen Genmanipulation berät, zu 80 Prozent aus Leuten besteht, die alles andere als unabhängig sind. Und das mit dem Viehfutter stimmt zwar, wird sich aber nicht lange halten. Der französische Handelsriese Carrefour etwa kauft kein Fleisch von Tieren, die so ernährt wurden - weil sie wissen, dass der Konsument es früher oder später ablehnen wird.

Standard: Glauben Sie wirklich, dass der Widerstand in einer globalisierten Welt lange halten wird?

Robin: Ich war gerade in Minnesota und in Kanada. Ich kann Ihnen sagen, dass die Bauern dort alle aufhören wollen, gentechnische Pflanzen anzubauen.

Standard: Es stimmt also nicht, dass sich die sogenannte Grüne Gentechnik weiter ausbreitet?

Robin: Das behauptet die Industrie. Das Gegenteil stimmt. Genmanipulierte Pflanzen werden von selbst verschwinden, wenn alle Bauern erkannt haben, dass sie nichts bringen.

Standard: Das klingt optimistisch.

Robin: Mein Pessimismus bezieht sich auf die Böden. In Argentinien wurden Millionen Hektar mit genmanipuliertem Soja bepflanzt, das der Ernährung amerikanischer und europäischer Rinder dient. Es besteht die Gefahr, dass diese Böden endgültig unbrauchbar werden. Argentinien wird Milch und Fleisch importieren müssen. Dagegen hilft auch die Kampagne der Regierung nicht, die die Bevölkerung zu Sojamilch und Tofu überreden will.

(Georg Desrues, DER STANDARD/Printausgabe, 17.4.2010)