Ramponiertes, aber authentisches Quintett: Die Zeit hat auf der Porträtdarstellung Lavinia Fontanas (80.000 - 120.000 Euro) ihre Spuren hinterlassen.

Foto: Dorotheum

Wenn das kein adäquater Einstand ist: Seit drei Jahren gehört Alexander Graf Strasoldo, zuvor für Lempertz in Köln tätig, zum Expertenteam des Dorotheums. Nach zwei Jahren in Düsseldorf verschlug es ihn vor zwölf Monaten endgültig nach Wien. Er gilt als Thronfolger Peter Wolfs, aber wann die Hofübergabe stattfindet, steht weiterhin in den Sternen.

Die im Laufe seiner Karriere gesammelten Kontakte pflegt der 55-Jährige weiterhin. Aktuell erwog ein Berliner Privatsammler, sich von einem monumentalen Gemälde zu trennen. Sollte ihm "dieses Ding auch nur einen Cent bescheren" , zitiert Strasoldo den Einbringer, fiele das wohl in die Kategorie Wunder. Ein Ahnungsloser, denn schnell entpuppte sich das 142 mal knapp 211 cm große auf Holz gemalte Figurenstück, das den Mensch thematisiert, der sich zwischen Tugenden und Lastern entscheiden muss, als Hauptwerk Frans Francken II., datiert auf 1635.

Der Schätzwert wurde mit 400.000 bis 500.000 Euro vergleichsweise moderat angesetzt, inoffiziell liegen die Erwartungen allerdings jenseits der Millionengrenze. Womöglich wird am 21. April spätnachmittags auch der vorläufige und mehr als zehn Jahre alte Weltrekord gebrochen (1999, Christie's London, Gemäldegalerie, 1612, 1,19 Mio. Euro netto). Angesichts der unterschiedlichen Zeitzonen könnten sich Kuratoren amerikanischer Museen zum Lunch insofern einen Francken für ihre Sammlung genehmigen. Oder auch einen Giovanni Francesco Barbieri, besser bekannt als Il Guernico, von dem eine Szene nach Torquato Tassos Kreuzfahrerepos (Das befreite Jerusalem) um die 600.000 Euro bringen soll. Bei Lavinia Fontanas höfischem, im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts ausgeführtem Porträtstück (80.000 bis 120.000) müssen Interessierte mit institutioneller Konkurrenz rechnen. Zwar besitzt das Washingtoner National Museum of Women in the Arts bereits einige Werke der Künstlerin, könnte aber auch hier Gefallen an der aus italienischem Privatbesitz stammenden Leinwand finden. Insgesamt haben Strasoldo und seine Kollegen in den letzten Monaten hervorragende Arbeit geleistet. Mit einer unteren Schätzwertsumme von fast 17 Millionen eröffnet das Dorotheum die Saison mit der lukrativsten Angebotsformation jemals. Die 1200 Positionen der Sparten Alte Meister, Gemälde des 19. Jahrhunderts (20. April), Möbel und Silber (21. April), Skulpturen und Glas & Porzellan sowie Juwelen (22. April) sollen kommende Woche neue Besitzer finden. Vergangenes Jahr schlug sich der Vergleichsreigen mit netto 6,41 Millionen Euro (brutto 7,93 Mio.) zu Buche, 2008 war der Wert bei 7,69 Millionen (brutto 9,45 Mio.) gelegen.

Ebenfalls kommende Woche lädt "im Kinsky" am 20. und 21. April zur 78. Kunstsause, im Rahmen derer 815 Gemälde Alter Meister, des 19. und 20. Jahrhunderts sowie Antiquitäten zwischen 4,3 und 7,5 Millionen Euro einspielen sollen. Entsprechend dem Saisonauftakt an der Freyung, als man Anfang März unter dem Titel "Meisterwerke" 76 Positionen zum Gegenwert von brutto 5,9 Millionen Euro verteilte, hoffen Otto Hans Ressler und sein Team auf eine nicht minder erfolgreiche Fortsetzung.

Zu den Besonderheiten gehört eine Serie von sechs 1925 datierten Aquarellen (je 15.000 bis 30.000) Franz Sedlaceks, die ursprünglich ein Buch illustrieren sollten, das allerdings nie erschien. Charakteristisch tummeln sich hier Fabelwesen und skurrile Gestalten, die Annabel Grant Duffs Erzählung Das Einhorn begleitet hätten. Zwischen 1934 und 1938 fanden sie ihren Weg zur Auftraggeberin nach England und kehren jetzt vorübergehend in ihre Heimat zurück. Etwas mehr werden Liebhaber Francesco Guardis bereithalten müssen, um sich ein Paar Blumenstillleben inklusive venezianischer Prunkrahmen zu sichern, die auf 80.000 bis 150.000 Euro taxiert wurden. (Olga Kronsteiner, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 17./18.04.2010)