Warum reden die Politiker eigentlich so viel Stuss daher, wenn der Tag lang ist? Antwort: Nicht unbedingt, weil sie selbst töricht wären, sondern weil es ihrem Berufsdenken entspricht. Tiere haben einen Totstellreflex; die meisten Politiker einen Blödstellreflex. Den Blödstellreflex aktivieren sie, weil sie a) felsenfest glauben, dass die Wähler dümmer sind als sie selbst, und sie sich daher b) ihrerseits dumm stellen müssen, um nicht unangenehm aufzufallen.

Die Faustregel für dieses Paradox: Je törichter eine Partei auftritt, desto gebildeter sind ihre Repräsentanten in Wirklichkeit. Kein Wunder also, dass man in Österreich die meisten Spitzenintellektuellen in der FPÖ findet.

Beispiel Karl-Heinz Grasser: Nach außen hin bemühte sich KHG als FP-Minister krampfhaft, das Bild eines Kärntner Provinzwastls vorzutäuschen, dessen Horizont kaum weiter reicht als bis zur nächsten Disco-Kugel. InWahrheit ist Grasser einer der gefürchtetsten ökonomischen Denker des Landes. Seit Monaten fiebert die Fachwelt seiner Arbeit "Der Defraudant und seine finanzstrafrechtliche Bekämpfung" entgegen, mit er sich an seiner Alma Mater, der Uni Klagenfurt, habilitieren will. Ein Kollege: "Das wird ein bahnbrechendes Werk von intimer Sachkenntnis" .

Öffentlich gab Exvizekanzler Hubert Gorbach gerne den unartikulierten Parteibüttel. Tatsächlich ist er aber korrespondierendes Mitglied der Royal British Academy (Sektion "Modern Languages and Literatures" ) und arbeitet seit Jahren maßgeblich an einer historisch-kritischen Shakespeare-Gesamtedition mit. Gernot Rumpold, lange der FP-Mann "fürs Grobe" , ist Verfasser der feinsinnigen Studie "Ethische Grundlagen politischer Praxis" (Springer-Verlag). Rumpold zu seinem wissenschaftlichen Antrieb: "Ich habe von diesem Staat viel bekommen. Ich will etwas zurückgeben, auch wenn es nur ein kleiner intellektueller Beitrag ist" , meint er bescheiden.

Last, but not least Barbara Rosenkranz: Sie tut vordergründig so, als sei es ein Hochgenuss für sie, mit ihrem Mutterkreuz-schmäh das retardierteste Segment der hiesigen Wählerschaft anzubaggern. Privat aber gilt ihr ganzes Engagement ihrer heimlichen Tätigkeit als Lektorin für Gender-Studies an der Columbia University. Ihre neueste Arbeit ("Inszenierungen des Geschlechts von Freud bis Foucault" ) soll demnächst als "Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft" erscheinen. (Christoph Winder, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 17./18.04.2010)