Schieder wehrt sich gegen die Kritik von Wirtschaftsforschern: "Das Urteil des Herrn Felderer ist getrübt. Da muss man zuerst einmal zuhören."

Foto: derStandard.at/Winkler-Hermaden

Der Staatssekretär plädiert wie Kanzler Faymann für einen "Echtheitstest" für Steuerideen: "Wir wollen hier nicht herumtaktieren. Von der ÖVP kennen wir nur Überschriften."

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Er wolle nicht "herumtaktieren", sagt Andreas Schieder, Finanz-Staatssekretär und steuerpolitischer Vorreiter in der SPÖ. Darum habe seine Partei auch alle ihre Steuerwünsche offengelegt. Hinter den ökologischen Vorhaben der ÖVP wittert Schieder hingegen einen "Ökoschmäh". Dass es in den Verhandlungen Kompromisse geben wird, verheimlicht er im Gespräch mit Lukas Kapeller und Rosa Winkler-Hermaden aber nicht.

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derStandard.at: Sind Sie ein Mensch, der umweltbewusst lebt?

Schieder: Ich bin schon jemand, der umweltbewusst lebt. Ich bin mir aber sicher, dass eine Verringerung des ökologischen Fußabdrucks noch möglich wäre.

derStandard.at: Wenn Ihnen die Umwelt ein Anliegen ist, warum sind Sie dann gegen den Vorschlag der ÖVP Öko-Steuern einzuführen?

Schieder: Ich bin nicht gegen eine Ökologisierung des Steuersystems, kann mir aber schwer vorstellen, dass das von der ÖVP formulierte Volumen von 1,5 Milliarden - mit der Überschrift Ökosteuer - eine Idee ist, die aus dem ökologischen Lenkungsgedanken entstanden ist. Es drängt sich der Verdacht auf, dass es um eine einnahmenseitige Maßnahme geht unter dem einfachen Titel Ökologisierung. Tatsächlich wäre das aber ein Ökoschmäh.

derStandard.at: Worin besteht der Schmäh?

Schieder: Man muss gerade bei Steuern auf Energie auf mehrere Dinge aufpassen. Die wichtigste Frage ist die soziale Symmetrie. Wir dürfen nicht zulassen, dass Energie zu etwas wird, das sich die Reichen locker leisten, die Armen aber schon stark überlegen müssen, wie sie heizen und wie sie ihren Kühlschrank betreiben können. Ein reines Abcashen der sozial Schwächsten unter dem Titel Ökosteuern lehnen wir ab.

derStandard.at: Sie haben vergangene Woche Ihre Steuerpläne präsentiert. Im Prinzip ist es das, was Franz Voves schon vor einem Jahr gefordert hat: Die Reichen sollen zahlen. Die ÖVP hat ihre Pläne etwas charmanter verpackt. Das Ganze kommt innovativer rüber. Wo ist bei Ihnen der Innovationscharakter?

Schieder: Ich beurteile Steuern und wirtschaftspolitische Maßnahmen nicht nach ihrer Verpackung, sondern nach dem Inhalt. Das ist der Unterschied. Bei den Ökosteuern kenne ich nur die Verpackung. Ich vermute, wenn wir das Packerl aufmachen, ist es leer.

derStandard.at: Finanzminister Josef Pröll sagt zu all diesen Vorschlägen nur "Rechnen statt Rache", und seine ÖVP fordert ganz andere Dinge. Nun müssen Sie im Oktober gemeinsam ein Budget vorlegen. Was werden Sie denn abtauschen?

Schieder: Ehrlich gesagt, ich halte Abtauschen für keine politische Kategorie. Auch nicht für die Wirtschaftspolitik.

derStandard.at: Aber irgendwo werden Sie sich treffen müssen.

Schieder: Gerade im Finanzsektor planen wir Abgaben, die konjunkturpolitisch keinen negativen Effekt haben. Ich würde sogar sagen, mitunter umgekehrt, weil die Konjunktur von mehr Stabilität auf den Finanzmärkten profitieren würde. Ich kann namhafte, führende ÖVP-Politiker zitieren, zum Teil sogar aus der Regierung, die Maßnahmen auf unserer Liste auch schon überlegt und gutgeheißen haben. Wir müssen die Vermögenszuwachsbesteuerung überdenken, die Finanztransaktionssteuer ist sogar einheitlicher Regierungsbeschluss.

derStandard.at: Nur wird die Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene nicht kommen, und man kann genauso führende ÖVP-Politiker nennen, die Ihr Programm als Standortbeschädigung bezeichnen.

Schieder: Ich hoffe, Sie meinen jetzt nicht Vertreter der Industriellenvereinigung. Die ist doch überparteilich (lacht).

derStandard.at: Auch Christoph Leitl warnte, die Unternehmer würden flüchten. Jedenfalls: Bundeskanzler Werner Faymann sagte, ihm sei wichtig, dass zum Beispiel die einjährige Sperrfrist für Aktiengewinne fällt, damit die immer besteuert werden können. Ist das für die SPÖ in den Verhandlungen eine Bedingung, ohne die es nicht geht? Gibt es in Ihren sieben Punkten einen, wo Sie sagen: Ohne den geht es nicht?

Schieder: Politik funktioniert nicht, indem man nur Bedingungen stellt. Eine Politik, die sich Umsetzung orientiert, ist keine, wo man zwei Gerüste voller Bedingungen gegeneinander stellt. Wir wollen inhaltlich und sachlich diskutieren, und es heißt natürlich auch, dass man bereit sein muss, Kompromisse zu finden. In der Sache und auch in den Details. Für uns Sozialdemokraten heißt es dennoch: Das sind die Punkte, die wir für absolut notwendig halten für den Standort und für die Gerechtigkeit.

derStandard.at: Der Kanzler fordert einen Echtheitstest: Wirtschaftsexperten sollen die Realisierbarkeit der Steuerideen von SPÖ und ÖVP bewerten. Nun sagte bereits der Chef des Instituts für Höhere Studien, Bernhard Felderer, er finde Ihre Pläne überhaupt nicht großartig. Die Bankensteuer bringe nichts, weil die Banken zu angeschlagen seien. Die höhere Stiftungssteuer verursache Kapitalflucht. Der Echtheitstest scheint nicht so gut auszufallen für die SPÖ.

Schieder: Anscheinend ist das Urteil des Herrn Felderer getrübt. Ich kann es sachlich nicht nachvollziehen. Felderer sagte, über die Steuereinnahmen allein lässt sich das Budget nicht konsolidieren. Da muss man nur zuerst einmal zuhören. Unsere Steuervorschläge betreffen den Anteil der Einnahmen, den wir als Regierung vereinbart haben, um das Budget zu sanieren. Wir haben genauso auch vereinbart, einen Gutteil - nämlich 60 Prozent - über Einsparungen zu schaffen. Das jetzt so hinzustellen, als würden wir das nur über Einnahmen machen, ist ja falsch.

derStandard.at: Was bringt ein Echtheitstest?

Schieder: Werner Faymann hat das vorgeschlagen, um die Diskussion zu versachlichen. Wir wollen überprüfen, wie das genau ausschaut. Wir haben unsere Steuerpläne ja auf den Tisch gelegt, nach dem Motto: Wir wollen hier nicht herumtaktieren. Von der ÖVP kennen wir bis jetzt eben nur die Überschrift.

derStandard.at: Wenn schon Massensteuern - warum nicht die Tabak- oder Alkoholsteuern erhöhen? Das würde auch das Volk gesünder machen.

Schieder: Eine Steuer alleine macht das Volk leider noch nicht gesünder, aber es stimmt: Besteuerung von ungesunden Dingen ist richtig. Wie weit ein Lenkungseffekt gegeben ist, muss man schauen. Man muss Substitutioneffekte beachten. Wir wollen nicht, dass die Leute dann nur noch im Ausland ihre Zigaretten kaufen.

derStandard.at: Auf eine Bankensteuer haben Sie sich ja bereits mit der ÖVP geeinigt, nur nicht auf das Wie. Der "Kurier" zitierte vor wenigen Wochen einen ÖVP-Vorschlag, ein Papier aus dem Büro von Finanzminister Pröll, wonach nicht - wie Sie wollen - die Bilanzsumme, sondern die Derivatgeschäfte (Spekulationen mit Zinsen, Wechselkursen und Waren-Termingeschäften, Anm.) in Höhe von 2300 Millarden Euro mit 0,01 bis 0,05 Prozent besteuert werden.

Schieder: Ich kenne dieses Papier nicht. Ich weiß auch nicht, wo wir bei diesen 2300 Milliarden Euro Derivaten im Steuerrecht ansetzen sollen. Anknüpfungspunkt muss etwas sein, was ich regelmäßig einsehen kann. Es gibt in einer Bank nicht den Bilanzposten "Spekulation", wo ich sage: Okay, 20 Prozent Steuer drauf. Es gibt in einer Bank leider auch nicht den Spekulationsbericht, wo ich sage: 20 Prozent Steuer drauf. Sondern es gibt verbrieft jährlich eine Bilanz.

derStandard.at: Sie meinen, diese 2300 Milliarden aus Derivatgeschäften sind für den Gesetzgeber schwer zu finden?

Schieder: Ja. Ich meine, wir alle wollen das Böse verhindern. Nur das reicht uns nicht als Gesetzestext. Wir müssen auch hinschreiben: Was meinen wir? Welche Handlungen sind gemeint? Bei einem Gesetz muss man an einem Hebel ansetzen. Wir wollen gemeinsam mit Experten sicherstellen: Bei der Bankensteuer wollen wir, dass sie eine stabile Abgabe ist, die Buchhalter-Tricks ausschließt. Dass alle Banken gleich behandelt werden, indem sie alle einen Beitrag leisten. Und sie muss auch einfach einzuheben sein.

derStandard.at: Zu Ihrer Partei: Für die SPÖ stehen heuer drei wichtige Landtagswahlen vor der Tür. Die neuen Steuern wurden extra in den Herbst verschoben. Kann die SPÖ damit wirklich die Verlustserie stoppen?

Schieder: Häupl, Voves und Niessl sind beliebte Landeshauptleute mit Ecken und Kanten. In allen drei Fällen - Burgenland, Steiermark und Wien - zeigt sich, dass die Landeshauptleute hervorragende Arbeit geleistet haben, gerade, was den Umgang mit der Krise und die mit ihr entstandenen Herausforderungen betrifft. (derStandard.at, 19.4.2010)