Mailand – "Der Irak muss der eigene Herr seiner Ölfelder bleiben." Diese Ansicht vertritt Vittorio Mincato, Vorstandschef des weltweit sechstgrößten Erdöl- und Erdgaskonzerns Eni (Ente Nazionale Idrocarburi). "Wir erwarten, dass im Irak künftig dieselben Regeln gelten wie bei den übrigen Erdöl produzierenden Staaten im Nahen Osten" meinte der Eni-Chef im STANDARD-Gespräch. Für Mincato steht außer Frage, dass die nationale Souveränität des Irak gewahrt bleiben müsse.

Ausbau

In Österreich will Eni seine Position festigen und das Agip-Tankstellennetz ausbauen. Die Eni-kontrollierte Agip ist mit einem Marktanteil von rund fünf Prozent Nummer drei in Österreich. Da Eni in Italien im Zuge der Marktliberalisierung die Quote von 38 auf 30 Prozent senken muss, soll dafür die Position von Agip im Ausland ausgebaut werden. Erst kürzlich hat Eni 86 italienische Agip-Tankstellen an die Royal Dutch Shell im Austausch für 91 Shell-Stationen abgegeben.

Eni weist mit 53,5 Mrd. Euro die höchste Börsenkapitalisierung aller italienischen Unternehmen auf. Der Grund, weshalb Eni heute besser dasteht als die meisten anderen Konzerne, liegt auch darin, dass der Ölmulti früher als die anderen auf das Kerngeschäft fokussierte und den Prozess bereits 1999 abschloss – zweifellos das Verdienst des 67-jährigen charismatischen Mincato.

Expansionskurs

Seit 2000 ist der zu 30 Prozent vom Staat kontrollierte Ölmulti auf Expansionskurs: Die tägliche Ölproduktion wurde um 50 Prozent auf 1,5 Mio. Barrel erhöht. Bis 2006 soll sie auf 1,8 Mio. Barrel steigen – was mit den Erdölgesellschaften Lasmo, British Borneo und Fortum Petroleum kein Problem sein sollte. Mincato rechnet nicht damit, dass in den nächsten Jahren am Erdölsektor große Merger bevorstehen – die meisten seien bereits erfolgt.

Zum Eni-Kerngeschäft zählt auch die Produktion und der Vertrieb von Erdgas. Da die Öffnung des italienischen Erdgasmarkts bereits weit fortgeschritten ist, hat Eni ihre Aktivitäten im Ausland verstärkt.

Angebotsüberschuss am Gasmarkt

Mincato befürchtet sogar einen Angebotsüberschuss am Gasmarkt: Die Nachfrage werde sich mit zwei Prozent pro Jahr weniger dynamisch entwickeln als erwartet. Außerdem seien Kohle- und selbst Atomkraftwerke wieder "salonfähig" geworden.

Standard & Poor's bewertet die Kreditwürdigkeit der Eni mit "AA"; auch Analysten bestätigen einen positiven Outlook – Credit Suisse First Boston rechnet mit einem Aufwärtspotenzial von 33 Prozent.

Kein Wunder, dass Konzernchef Mincato seine Arbeit im Mailänder Eni-Glasplast täglich um sieben Uhr früh "ohne Kopfweh" starten kann. (Thesy Kness-Bastaroli, DER STANDARD, Printausgabe 14.4.2003)