Wer Polizist werden will, muss zuerst einen vierstündigen Aufnahmetest bestehen. Intelligenz, Rechtschreibung und Grammatik werden geprüft.

Foto: Standard/Andy Urban

Doch fast die Hälfte scheitert am Deutschtest. DER STANDARD war bei einer Prüfung dabei.

Wien – Wer Polizeipräsident werden will, muss in den Schulungsraum H18 in der Marokkaner-Kaserne in Wien-Landstraße. Allerdings sollte er seine Pläne für sich behalten. „Manche geben das beim Vorstellungsgespräch als Ziel an. Das kommt nicht so gut", sagt Gruppeninspektor Rudolf Moser. Seit zehn Jahren wacht er als Prüfungsleiter mit Stoppuhr darüber, dass bei dem Aufnahmetest für künftige Polizisten die Zeit eingehalten und nicht geschummelt wird.

Etwa vier Stunden dauert er und besteht aus einem Intelligenztest, einem Fragebogen zur Persönlichkeit, Grammatikübungen und einem Diktat. Alle, die zur Polizei wollen, müssen durch diese Prüfung – egal, ob sie später Streifenpolizist, Drogenfahnder oder Präsident werden wollen. Danach kommen noch ein Sporttest, eine ärztliche Untersuchung und ein Gespräch.

Bewerbungen verdoppelt

Seit einigen Wochen ist Schulungsraum H18 gut besucht: Im Februar startete die Polizei eine Kampagne, mit der sie jungen Menschen den Beruf Polizist schmackhaft machen wollen. Auf Plakaten, in Radio- und Fernsehspots werben sie für neue Mitarbeiter – und das äußerst erfolgreich. Die Zahl der Bewerber hat sich seither verdoppelt: von wöchentlich etwa 50 auf fast 100. Das Problem: Etwa 40 Prozent scheitern am Diktat.

„Die Bewerber kommen aus allen Schichten, vom Hilfsarbeiter bis zum Akademiker", sagt Revierinspektor Manfred Pils, Prüfungsleiter Nummer zwei. Das war nicht immer so: „Erst seit vier, fünf Jahren ist das so durchmischt." Der Job sei sicher und daher attraktiv, meint Pils. „Wenn du nichts Grobes anstellst, hast du ihn bis zur Pension."

Heute sitzen 13 nervöse Bewerber zwischen 18 und 25 in dem kleinen Raum, jeweils zu zweit an einem Tisch, Abstand dazwischen, wie bei einer Schularbeit. Sechs von ihnen sind Frauen. 15 waren geladen, einer ist nicht erschienen, eine Frau wurde gleich wieder nach Hause geschickt: Eine Messung mit dem Messstock nebenan ergab, dass sie zu klein war. 1,63 Meter ist für Frauen vorgeschrieben, 1,68 für Männer. „Immer wieder müssen wir jemanden deswegen heimschicken", sagt Moser. „Sie wissen oft nicht genau, wie groß sie sind."

Florian Hauser (24) ist groß genug. Mindestens 1,80 Meter, kurzgeschorene Haare, markantes Kinn, stechende Augen – als wäre er direkt aus dem Werbeplakat in den Schulungsraum gekommen. Tatsächlich kommt er aus der Kaserne in Mistelbach. Seit fünf Jahren ist er Berufssoldat.

Auch was er sagt, hätte kein Polizeisprecher schöner schreiben können: „Ich bin ein Mensch, der gerne hilft, ich wollte immer schon zur Polizei." Was er sich erwartet? „Die Arbeit ist sicher abwechslungsreich, man kann viel lernen und hat Kontakt mit Menschen." Angst, dass der Job zu hart sein könnte, hat er nicht. „Ich war einige Jahre im Kosovo."

Ähnlich sieht das Kurt Hertlt (22). „Ich will einen Dienst an der Gesellschaft leisten", sagt er. Einige Bedenken hat er aber schon: „Zum Beispiel bei solchen Geschichten wie der 14-Jährigen, die ihre Mutter erstochen hat", sagt er. „Wenn du da dabei bist, ist das sicher schwer zu verarbeiten."

Ebru Baysan (18) hat noch nicht so genau über den Job nachgedacht. „Ich habe in der Zeitung gelesen, dass die Polizei Leute sucht, und mein Vater hat gemeint, ich soll mich bewerben", erzählt sie. Derzeit arbeitet sie als Verkäuferin, wird sie genommen, will sie zur Kriminalpolizei. Menschen wie sie sind gefragt: Nur ein Prozent der Polizisten haben Migrationshintergrund, fünfzehn Prozent sind Frauen. Beide Quoten sollen gesteigert werden.

Mit dem Diktat wollen alle drei keine Probleme gehabt haben. „Das sind etwa fünfzig Wörter, nur manche davon Fremdwörter", erzählt Hertlt. „Das ist schon zu schaffen, wenn man sich für Deutsch interessiert und ein bisschen lesen tut." (Tobias Müller, DER STANDARD – Printausgabe, 16. April 2010)