Ein paar Züge lang innehalten am letzten Tag des restlichen Lebens: Colin Firth (li.) und Jon Kortajarena in Tom Fords "A Single Man"

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Einen Plan umzusetzen, erfordert Disziplin: Ein Schritt folgt nach dem anderen. Plant man allerdings, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen, tritt die Profanität des Ablaufs in Widerspruch zur Finalität des Entschlusses. Noch einmal muss man bestimmte Dinge regeln: ein Brief, der ein wenig Licht in die Umstände bringt; ein Gang zur Arbeit, um die Ordnung der Dinge zu wahren; ein Bankbesuch, um das Depot aufzulösen. Weil alles das letzte Mal erfolgt, bekommt es ein besonderes Gewicht. Die Aufmerksamkeit ist geschärft - bereit, Details zu sehen, in denen sich die Schönheit des unberechenbaren Lebens noch einmal kristallisiert. Fast scheint es, als wären das Überrumpelungsversuche, um den Plan des Selbstmörders zu durchkreuzen.

Der Modedesigner Tom Ford hat Christopher Isherwoods Klassiker der "gay novel", "A Single Man", als bildschöne Etüde über einen Verzweifelten verfilmt. George Falconer ist ein Literaturprofessor, der im Kalifornien der frühen 1960er-Jahre ein zumindest nach außen hin bürgerliches Dasein führt. Die persönlichen Lebensumstände der Figur statten sie jedoch mit einer besonderen Resonanz aus: Falconer ist schwul und hat seinen Geliebten vor kurzem bei einem Autounfall verloren. Nun sucht er selbst den Tod.

Das Regiedebüt von Tom Ford ist, anders als man glauben könnte, keinem gerissenen Produzentenkopf entsprungen. Der texanische Modeguru, der Gucci zur Edelmarke und den angestaubten Look von James Bond zu neuer Eleganz zurückführte, hat sich vielmehr selbst einen Riesenwunsch erfüllt und die Finanzierung der Produktion gleich selbst aufgebracht. Für seinen Hauptdarsteller Colin Firth, der hier in einer feinnervigen Rolle reüssiert - und dafür eine Oscar-Nominierung einheimste -, soll er extra gewartet haben.

Was Ford an dem Stoff interessierte, wird von Anfang an ersichtlich: Falconer ist ein Mann, der erst in seinen Anzügen eine Form gewinnt, die ihm dabei hilft, mit den Zurichtungen des Lebens umzugehen. Schon das morgendliche Ritual des Anziehens wird regelrecht zelebriert. Es ist das Ritual einer Maskierung, die Falconer einer Umwelt eingemeindet, mit der ihn insgeheim immer weniger verbindet: Er ist auch ein britischer Homme de Lettres, der sich an der Trivialisierung der US-Kultur stößt.

Mit genauem Blick auf Ausstattung und Kostüm entwirft der Film das Pastiche einer Epoche, an deren Eleganz er sich auf ambivalente Weise weidet. In die monochromen Bilder mischen sich punktuell Farbmomente, die Falconers unterdrückte Sensibilität zum Ausdruck bringen. Einmal hält er vor einem riesigen Plakat von Psycho bei einem James-Dean-Doppelgänger eine Zigarette lang an, und der Himmel färbt sich flamingorot.

"A Single Man" ist nicht ganz überraschend ein überästhetisierter Film. Etwas weniger Make-up hätte ihm gutgetan, denn seine betörenden Oberflächen decken manche Regung zu. Im Unterschied zum Melodramenspezialisten Douglas Sirk meidet Ford surreale Zuspitzungen. Seine Tragödie eines Unzeitgemäßen gleicht mehr einem melancholischen Fließen, das sich mitunter zu einer Welle des Pathos aufbäumt. (Dominik Kamalzadeh / DER STANDARD, Printausgabe, 16.4.2010)