Wiener Neustadt - Am 16. Prozesstag im Wiener Neustädter Tierschützer-Prozess wurde am Mittwoch das linguistische Gutachten des Grazer Sachverständigen Wolfgang Schweiger besprochen. Zum zweiten Mal wurden Zuseher des Saals verwiesen. Sie hatten während der Ausführungen des Grazer Sachverständigen gelacht. Dann weigerten sich die Zuseher zu gehen, was eine Unterbrechung der Verhandlung zur Folge hatte.

DNA-Spuren auf Bekennerschreiben passten zu keinem der Angeklagten

Richterin Sonja Arleth trug das Bekennerschreiben zu dem Brandanschlag auf den Nationalzirkus Louis Knie im Juli 2000 in Linz vor. Das Bekennerschreiben wird Martin Balluch angelastet. Gefundene DNA-Spuren konnten keinem der Angeklagten zugeordnet werden. Nach dem Anschlag habe es im "Profil" ein Interview mit den sogenannten Tätern gegeben, auch eine Skizze des Brandsatzes wurde abgebildet. Eine idente Skizze habe man auch bei Balluch gefunden, so die Richterin. Dies sei "kein Zufall", sagte der Beschuldigte, schließlich sammle er "tonnenweise Material" zum Tierschutz, auch weil er entsprechende Bücher verfasse.

Grazer Gutachter beschreibt Herangehensweise an Texte

Nach Ansicht des Grazer Gutachters soll der angeklagte Obmann des Vereins Gegen Tierfabriken (VGT) "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" drei Bekennerschreiben - neben dem Anschlag auf den Nationalzirkus auch zu einem auf eine Hühnerfarm im gleichen Jahr sowie einer Nerzbefreiung im Jahr 1997 - verfasst haben. Auch 16 Leserbriefe sollen mit gleicher Wahrscheinlichkeit großteils, wenn nicht sogar gänzlich von ihm stammen. Obwohl man in der Linguistik laut Schweiger etwas "nie" zu hundert Prozent nachweisen könne.

Schweiger erklärte seine Arbeit, dass er die Texte 20 bis 30 Mal gelesen, nach Auffälligkeiten durchsucht und  Stil und Grammatik untersucht habe. Auffällig sei u.a. gewesen, dass bei den Schriften in "ausgezeichnetem Deutsch" Fehler hauptsächlich gegen Ende des Textes gemacht wurden, teilweise auch dieselben, sowie häufig Appositionen, Genetivpräpositionen und -attribute verwendet wurden. Zwei Dinge in den Schriftstücken seien mehr als nur starke Indizien - eher ein linguistischer Fingerabdruck - für die Autorenschaft Balluchs gewesen: Kongruenzfehler sowie Übersetzungsfehler aus dem Englischen.

Verteidigung holte Gutachten bei Kriminologen und Experten ein

Die Verteidigung ließ aufgrund von Zweifeln am Gutachten Schweigers eigene Expertisen vom deutschen Kriminologen Raimund Drommel sowie dem Innsbrucker Universitätsprofessor Manfred Kienpointner erstellen, die zu gegenteiligem Schluss kamen. Die Privatgutachten werden nicht in den Akt genommen, entschied Richterin Arleth. Schweiger müsse aber zum Befund des Kriminologen Kienpointners Stellung nehmen.

Uneinigkeit der Experten

Kritik der Verteidigung an Vernachlässigung der Zeitnähe der verglichenen Texte sowie der Verwendung einer nach Meinung Drommels zu hohen Wahrscheinlichkeitsstufe wies der Sachverständige zurück. Lange diskutiert wurde das Schreiben zur Nerzbefreiung. Dabei handelt es sich laut dem Grazer Gutachter Schweiger um zwei Texte eines Autors, nach Meinung der Verteidigung aus Texten verschiedener Autoren. (APA)